Regionaler Artentransfer mit Übertragungsverfahren und Ansäen von Blühflächen

Artenreiche Wiesen bieten Lebensräume für viele Insekten und sind eine Augenweide für den Betrachter. Sie sind das Ergebnis von jahrzehntelanger, extensiver Nutzung zum Beispiel als Weiden oder Heuwiesen. In der Vergangenheit waren diese Wiesen häufiger und bildeten ein regionales Grünland-Netzwerk, was für einen Austausch und Erhalt von Arten gesorgt hat (Biotopverbund). Vielfach sind derartige Wiesen in den letzten Jahrzehnten verloren gegangen und müssen wiederhergestellt werden. Für das Anlegen solch wertvoller Flächen empfiehlt es sich, das folgende Schema auf die jeweilige Fläche anzuwenden. Eine Ansaat durch konventionelles Wildpflanzensaatgut sollte erst in Erwägung gezogen werden, wenn alternative Methoden nicht zum Erfolg führen.

So legt man artenreiche Wiesen an
Weniger ist meist mehr

Viele Flächen lassen sich allein schon durch besseres oder extensiveres Pflegemanagement deutlich optimieren. Seltenere Mahd, geringe bis keine Düngung, eine Umstellung von Mulchen auf Mahd und ein Abfahren des Schnittgutes sind vielfach gut geeignete Maßnahmen, um artenreiche Wiesen entstehen zu lassen.
Es kann sich Artenreichtum aber auch von ganz alleine entwickeln, sogar in der Stadt. Denn beispielsweise auf nährstoffarmen Brachflächen, die vielfach über einen erheblichen Samenvorrat verfügen, können sich ohne viel Zutun allein durch Selbstbegrünung attraktive Flächen entwickeln.

Meist bietet es sich an, zunächst mindestens ein Jahr die Ergebnisse der Selbstbegrünung abzuwarten, bevor weitere Maßnahmen in Angriff genommen werden. Dies gilt für

  • feuchte oder trockene Magerstandorte,
  • (städtische) Ruderalflächen mit mageren Böden (derartige Flächen können von höchster Relevanz für den Artenschutz in der Stadt sein),
  • alte, historisch gewachsene Flächen und
  • Brachen oder verarmte Rasen.

Wenn sich keine artenreiche Flora einstellt

Sollten die oben genannten Maßnahmen keinen Erfolg zeigen, ist zu überlegen, ob ein

  • Artentransfer via Übertragungsverfahren in Frage kommt oder eine
  • Einsaat durch gebietseigene Saatgutmischungen möglich ist.

Informationen zu gebietseigenen Saatgutmischungen, deren Produktion und das Inverkehrbringen finden Sie nachfolgend:

Übertragung ganzer Lebensgemeinschaften – die erste Wahl, um zu artenreichen Wiesen zu gelangen

Ein ökologischer und der naturschutzfachlich beste Weg ist es, in der Nähe des Ausbringungsortes von artenreichen Spenderflächen "Naturgemische" zu gewinnen und diese auf die Zielfläche zu übertragen (Arten-Transfer durch Übertragverfahren). Diese Übertragverfahren wie beispielsweise Mähgutübertragung oder Ansaat mit ausgebürsteten Samenmaterial sind aus naturschutzfachlicher Sicht optimal. Die Übertragungsverfahren ermöglichen es, artenreiche Wiesen in der für das Gebiet typischen Artausstattung mit gebietseigenen, lokal angepassten Herkünften wiederherzustellen. Dabei bleibt das regionale genetische Erbe der Wiesengesellschaften erhalten. Diese optimale Anpassung an das lokale Kleinklima, typische Konkurrenzverhältnisse und die jeweilige Bodensituation wirkt sich auch positiv auf die Wuchsleistung sowie einem großen Blühangebot der Wiesenarten und somit einer bestmöglichen Vielfalt von darin lebenden Insekten aus. So werden auch die Erfolgschancen von Renaturierungsmaßnahmen verbessert.

Je nach Verfahren werden dabei sogar Teile der an den jeweiligen Wiesentyp angepassten Tierwelt mit übertragen – in Form von lebenden Tieren, deren Larven oder von Ruhestadien. Es entstehen so in kurzer Zeit stabile Lebensgemeinschaften, die an die verschiedenen Nutzungen und Klimavorrausetzungen optimal angepasst sind und sich so auch an zukünftige Klimaveränderungen leichter anpassen können.

Für die Bereitstellung von Naturgemischen stehen verschiedene mechanische Beerntungsverfahren zur Verfügung. Es gibt die Möglichkeit samenreife Spenderflächen zu mähen, zu dreschen, die Samen auszubürsten, abzusaugen oder auch auszurechen.

Ein weiterer Vorteil der Übertragungsverfahren liegt darin, dass die Wertschöpfung der Maßnahmen in der Region verbleibt sowie das Wissen und das Bewusstsein über Zusammenhänge und Besonderheiten von artenreichen Wiesen gestärkt wird. Dies stärkt die regionale Identität und Akzeptanz von Naturschutz und Landschaftspflege. Außerdem können traditionelle landwirtschaftliche Techniken der Heugewinnung und Lebensraumverbesserung erhalten und Landwirten zusätzliche Verdienstmöglichkeiten geschaffen werden.

Der optimale Erntezeitpunkt

Wichtig für Übertrag-Verfahren ist der Erntezeitpunkt, da das Samenangebot bei der Beerntung der Spenderfläche auf den ausgereiften Anteil begrenzt ist. Eine mindestens zweifache Beerntung zu verschiedenen Zeitpunkten sollte in Betracht gezogen werden, da nur so ein vollständiges Artenspektrum übertragen wird. Dabei sollte jedoch jeweils nur ein Teil der Fläche beerntet werden, um die Spenderfläche zu schonen. Je nach Zielsetzung kann es sinnvoll sein, besondere Charakterarten zudem durch Handsammlung – zum jeweiligen Reifezeitpunkt – zu übertragen.

Die Keimfähigkeit der Samen muss für einen erfolgreichen Übertrag erhalten bleiben. Es besteht ein kurzes Zeitfenster um den gesamten Prozess beginnend mit der Saatgutgewinnung bis hin zur Wiederausbringung durchzuführen. Je nach Verfahren sind es teilweise nur wenige Stunden, bevor vor allem die enthaltenen Tiere abzusterben beginnen.

Für die Bereitstellung von Naturgemischen stehen verschiedene mechanische Beerntungsverfahren zur Verfügung. Es gibt die Möglichkeit samenreife Spenderflächen zu mähen, zu dreschen, die Samen auszubürsten, abzusaugen oder auch auszurechen.

Wichtig ist eine gute Dokumentation und Verwaltung von Spender- und auch der Empfängerflächen, um eine Überbeerntung der Spenderflächen zu vermeiden und um auch nach mehreren Jahren noch feststellen zu können, wie welche Wiese entstanden ist.

Ist eine Artanreicherung auf der Fläche mittels Übertragungsverfahren nicht zielführend oder beispielsweise die anzulegende Fläche zu groß, so können artenreiche und insektenfreundliche Wiesen auch mit handelsüblichen Saatgutmischungen angelegt werden. Für die Wiederherstellung oder Neuanlage von artenreichen Wiesen darf jedoch nur noch Saatgut ausgebracht werden, das innerhalb des Ursprungsgebietes gewonnen wurde, in dem es auch ausgebracht wird (= gebietseigenes Saatgut entsprechend §40 BNatSchG).

Hinweise zum Bezug von gebietseigenem Saatgut und weitere Informationen zur Zertifizierung finden Sie nachfolgend.

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