Naturschutzfachliche Grundlagen für die Auswahl von Spenderflächen

Werden die folgenden naturschutzfachlichen Grundsätze und Kriterien bei der Beerntung von Spenderflächen beachtet, ist eine naturverträgliche, nachhaltige Nutzung möglich:

Rechtliche Situation

  • Es müssen Artenschutzbestimmungen, Schutzgebietsverordnungen, das FFH-Verschlechterungsverbot, Auflagen aus Ausgleichsmaßnahmen sowie die Erhaltungsmischungsverordnung beachtet werden. Förderrechtliche Bestimmungen (besonders Auflagen auf Vertragsnaturschutzflächen (VNP-Flächen) und aus Landschaftspflege-Maßnahmen/LNPR-Flächen) sind zu berücksichtigen. Dies können beispielsweise Schnittzeitpunkte, Ruhephasen, Betretungszeitpunkte, definierte oder konkurrierende Nutzungsweisen sowie der Wiesenbrüterschutz sein. Doppelförderungen sind auszuschließen.
  • Eine Beerntung mit Ausbürstungsverfahren gilt förderrechtlich nicht als Hauptnutzung und ergibt keine Konflikte mit Schnittzeitpunktregelungen des VNP, d.h. mit Zustimmung der Unteren Naturschutzbehörden kann auch vor einem vereinbarten Schnittzeitpunkt beerntet werden.
  • Können durch die Beerntung besonders oder streng geschützte Arten und ihre Entwicklungsformen beeinträchtigt werden oder soll in einem Naturschutzgebiet geerntet werden, ist eine Ausnahmegenehmigung bei der zuständigen Höheren Naturschutzbehörde an den Regierungen zu beantragen. Förderrechtliche Belange sind mit dem jeweiligen Bewirtschafter, ggf. auch Flächeneigentümer, der Unteren Naturschutzbehörde bzw. zuständiges Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu klären, um Anlastungen zu verhindern.
  • Eine gewerbliche Entnahme von Samen (z.B. Ausbürstungsverfahren oder Heudrusch) bzw. Vermarktung der gewonnenen Naturgemische bedarf entsprechend §39 Abs. 4 Bundesnaturschutzgesetz der Genehmigung durch die Untere Naturschutzbehörde, in Naturschutzgebieten durch die Höhere Naturschutzbehörde. Auch bei Beerntungen zur Neuanlage von Kompensationsflächen durch beispielsweise Landschafts­pflegeverbände ist in der Regel eine solche Genehmigung einzuholen. Beim Inverkehrbringen des Saatgutes aus kommerziellen Gründen (Vermarktung) ist eine Genehmigung bei der zuständigen Behörde (Saatgutanerkennungsstelle der Landesanstalt für Landwirtschaft) und die Zertifizierung des Saatgutes einzuholen.

Was ist vorab bei der Wahl der Fläche zu beachten:

  • Der Erhalt der Artenvielfalt und eines guten Zustandes der Spenderfläche nach einer Beerntung muss immer im Vordergrund stehen.
  • Naturschutzfachlich hochwertigste Flächen ("regionale Unikate", Artenhilfsprogramm-Flächen, Flächen mit vielen als hoch gefährdet eingestuften Rote Liste-Arten) sollen nicht als Spenderflächen genutzt werden, um die seltenen Arten nicht zu gefährden. Der Transfer seltenster Arten sollte nur im Rahmen von Artenhilfsprogrammen oder Naturschutzprojekten erfolgen und genau in der Artenschutzkartierung dokumentiert werden.
  • Die Übertragungverfahren und vor allem die Beerntung der Spenderflächen sollten durch fachkundiges Personal (Untere oder Höhere Naturschutzbehörde, Landschaftspflegeverbände, Gebietsbetreuer) vegetationsökologisch und faunistisch begleitet werden.
  • Soll eine Fläche dauerhaft als Spenderfläche genutzt werden, sollte sie vor Beginn der Entnahmen vegetationskundlich erfasst werden, um zukünftige Veränderungen erkennen zu können (Grundaufnahme und Monitoring).
  • Spender- und Empfängerfläche sollten grundsätzlich innerhalb der gleichen naturräumlichen Untereinheit möglichst nahe beieinanderliegen (Richtwert etwa 20 km); ideal ist ein Übertrag innerhalb der Gemeindegrenzen. Artenarealgrenzen von Pflanzen und Tieren sollten bei der Ausbringung nicht überschritten werden.
  • Vergleichbare Standortbedingungen auf Spender- und Empfängerfläche (trocken/feucht, sauer/basisch) sind Grundlage für den Erfolg der Übertragung.
  • Ein Einverständnis des Flächeneigentümers/Bewirtschafters muss vor einer Entnahme oder Beimpfung mit Material vorliegen.
  • Beerntet werden sollten nur regionaltypische, artenreiche Wiesen oder Weiden mit wertgebenden Kräutern und Gräsern.
  • Die Bestände sollten bereits jahrzehntelang einer extensiven Bewirtschaftung unterliegen (am besten schon seit vor 1960 bevor beispielsweise im Rahmen der Flurbereinigung Aussaaten in großem Umfang erfolgten).
  • In der Regel bieten sich Flächen mit Vertragsnaturschutz, Landschaftspflegeflächen, alte Ausgleichsflächen oder Biotope als Spenderflächen an, es können aber auch sonstige artenreiche Wiesen genutzt werden.

Bei der Beerntung ist weiterhin zu beachten:

  • Ausgeschlossen sind mit Handels-Saatgut begrünte Flächen (Sortenschutzrechte)! Selbst mit Regio-Saatgut begründete Bestände oder durch Artenanreicherung aus nicht dokumentierter Herkunft veränderte Wiesen sollten nur in wenigen, gut begründeten Ausnahmefällen herangezogen werden.
  • Den Reifegrad der Pflanzenarten der Wiese vor der Beerntung zu dokumentieren erlaubt es, die Übertragungsrate und damit die Effizienz der Maßnahme zu prüfen und gegebenenfalls gezielt nachzuarbeiten (zum Beispiel durch erneute Übertragung zu einer anderen Jahreszeit
  • Um die Gefahr der Einkreuzung fremder Herkünfte zu reduzieren, sollte ein Sicherheitsabstand der Spenderfläche von mindestens 300 m zu Beständen mit bekanntermaßen fremden Herkünften gewählt werden.
  • Problemarten (zum Beispiel Acker-Kratzdistel, Kreuzkräuter, Neophyten) sollten nicht oder nur mit geringer Deckung vorhanden sein, alternativ muss ein zeitliches oder räumliches Ausweichen bei der Beerntung eine Aufnahme von Samen dieser Arten bestmöglich vermeiden. Ist eine Beerntung dennoch unumgänglich, sollte die Etablierung auf der Empfängerfläche beobachtet und gegebenenfalls gemanagt werden. Weitere Problemarten sind beispielsweise Rot- und Weißklee, die sich auf der Empfängerfläche sehr dominant ausbreiten können.
  • Die Lage der Spenderfläche ist gemeinsam mit dem/den späteren Ausbringungsort(en) des geernteten Samenmaterials so lange dezentral zu dokumentieren (Untere Naturschutzbehörde mit Weiterleitung an die Höhere Naturschutzbehörde) bis ein zentrales Verzeichnis vorliegt. Wichtig ist zudem die Dokumentation der Beerntungen (Zeitraum, Umfang, Häufigkeit usw.), um den Schutz der Fläche zu gewährleisten.

Umfang der Entnahme

  • Pro Erntedurchgang, dies bezieht sich auch auf bürstende Ernteverfahren, dürfen nur 30 % bis maximal 50 % der Fläche beerntet werden, so dass ein Aussamen des Bestandes auf der Fläche weiterhin möglich ist und die Tierwelt, zum Beispiel verschiedene Entwicklungsstadien von Insekten, nicht erheblich beeinträchtigt wird. Ausschließlich in Wirtschaftswiesen (FFH-Lebensraumtypen LRT 6510, 6520, artenreiches Extensivgrünland gemäß Biotopkartierung Bayern (Kürzel GE00BK)) sind auch zu beerntende Flächen bis zu 75 % zulässig.
  • Eng begrenzte Wuchsbereiche einzelner (seltener!) Arten und Flächen, die gezielt auf einzelne Zielarten hin beerntet werden, dürfen nur zu ca. 30 bis 50 % des Wuchsbereiches beerntet werden.
  • Bei mehrfacher Beerntung oder einer Beerntung über mehrere Jahre müssen die Teilbestände gewechselt werden.
  • Um eine Reproduktion sicherzustellen, sind an die jeweiligen Verfahren angepasste Ruhezeiten einzulegen:
    Mähgutübertrag, Ausbürsten, Heudrusch:
    Mindestens 1 – 3 Jahre Ruhezeit nach 2 – 3 Jahren Beerntung
    Ausrechverfahren (bei denen die Streuschicht mit entnommen wird):
    Mindesten 5 Jahre Ruhezeit nach einmaliger Entnahme
    Dies gilt insbesondere für naturschutzfachlich hochwertige Spenderflächen wie Streuwiesen, Magerrasen und andere biotopkartierte Flächen mit seltenen Pflanzen und/oder Tierarten.
  • Der Entnahmezeitpunkt sollte sich an naturschutzfachlich gebotenen Schnittzeitpunkt(en) orientieren, insbesondere bei Biotopflächen, LNPR-Flächen. Weitere Hinweise finden sich auf der Seite Regio Flora (siehe "Weiterführende Informationen").
  • Auf Flächen mit artenschutzrechtlich besonders oder streng geschützten Arten, wie beispielsweise Ameisenbläulingen (Maculinea-Arten) ist ein auf die Arten angepasster Flächenumfang vorzusehen. Auch die optimierte Erntezeit (bei Vorkommen von Ameisenbläulingen erst ab Mitte September) ist von Bedeutung. Flächen mit Ei-/Larvalstadien von derartigen Schmetterlingen bzw. die Raupenfutterpflanzen sind von der Beerntung auszusparen.

Weiterführende Informationen

Links zu anderen Angeboten

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