Ein innovativer Baustein zum Landschaftsplan am Beispiel der Stadt Selbitz (Oberfranken)

Mit der Entwicklung einer „Schwammflur“ soll die Landschaft wie ein Schwamm Wasser in der Feldflur zurückhalten. Der Vorteil ist: das Regenwasser läuft nicht sofort zu großen Hochwasserwellen zusammen, sondern verbleibt möglichst lange auf der Fläche, kann in den Boden und den Untergrund einsickern und damit auch das Grundwasser auffüllen. Kommt dann eine Trockenperiode, wird das Wasser wieder langsam an die Vegetation, in Quellen und Auen abgegeben.

Damit wird die Bodenfruchtbarkeit positiv beeinflusst, Gewässer trocknen nicht mehr so leicht aus, Fischsterben werden vermieden. Gleichzeitig soll Wasserknappheit in Trockenperioden besser abgepuffert werden.

Viele der Maßnahmen dienen dem Biotopverbund und können dem Ökokonto angerechnet werden. Wird beispielsweise der Strukturreichtum durch Feldraine, Hecken und Seigen erhöht, steigt auch die Schwammwirkung der Landschaft. Naturnahe Bachläufe mit Gewässerrandstreifen und eine angepasste land- und forstwirtschaftliche Nutzung fördern den natürlichen Wasserrückhalt.

Die Selbitzer Bürgerinnen und Bürger entwickeln gemeinsam bis 2040 das Gemeindegebiet der Stadt Selbitz zu einer widerstandsfähigen Kulturlandschaft, die gegen Herausforderungen des Klimawandels, insbesondere gegen Starkregen und Trockenheit gewappnet ist. Maßnahmen der Wasserhaushaltung stehen dabei im Fokus der Konzeption und Umsetzung.

Schwammflur-Vision Selbitz 2040
Schwammflur-Vision Selbitz 2040 Der Mehrwert Der Selbitzer Weg Innovativer Baustein des Landschaftsplans Der Landschaftsplan als Lösung Flut und Dürre

1. Flut und Dürre: Herausforderungen für Kommunen

Anpassungen an Extremwetterlagen wie Starkregen und Hitzewellen stellen neben der Energiewende und dem Arten- und Biotopschutz die Kommunen und Gesellschaft vor zusätzliche Herausforderungen. Auch der steigende Flächenverbrauch für Siedlung und Verkehr erzeugt zunehmenden Druck auf die begrenzte Ressource Boden.

Im oberfränkischen Selbitz kam es im Juli 2021 durch einen historischen Starkregen zu einem großflächigen Hochwasser, das schwere Schäden im Stadtgebiet anrichtete. Die Feldflur wurde durch Überflutung und Bodenabtrag beeinträchtigt, mit nachhaltigen Folgen für die landwirtschaftliche Nutzung. Der Sommer 2022 brachte hingegen mit einer ungewöhnlichen Sommertrockenheit, Wasserarmut und Fischsterben einen deutlichen Kontrast.

2. Der Landschaftsplan als Lösungsweg

Kommunen müssen sich gegen die Folgen des Klimawandels wie Starkregenereignisse und Trockenperioden wappnen. Mit dem kommunalen Landschaftsplan können Städte und Gemeinden eine flächenbezogene Anpassungsstrategie an die oft schwerwiegenden Folgen klimawandelbedingter, extremer Witterungsverläufe entwickeln. Hierbei hilft die Landschaft mit ihren natürlichen Eigenschaften wie Wasserspeicherung und Abflussbremsung. Diese Potenziale zeigt ein Landschaftsplan auf und erklärt, wie sie besser wirken können. Auch Bodenfruchtbarkeit, Grundwasserneubildung und natürliche Vielfalt profitieren.

Deshalb beschloss der Stadtrat in Selbitz, seinen Landschaftsplan fortzuschreiben und ihn in den aktuellen Flächennutzungsplan (FNP) zu integrieren. Wesentlicher Bestandteil des Landschaftsplans ist ein Schwammflur-Konzept.

3. Innovativer Baustein des Landschaftsplans: das Schwammflur-Konzept

Durch das Schwammflur-Konzept verbessert sich der Landschaftswasserhaushalt: die Landschaft bindet überschüssiges Wasser, hält es zurück und gibt es in Hitze- und Trockenperioden langsam ab. Der Effekt: Hochwasser bildet sich langsamer und weniger stark, Dürrephasen werden verkürzt oder treten gar nicht erst ein. Den Vorteil haben also viele: Siedlungsbereiche, Bodenfruchtbarkeit, Landwirtschaft. Zudem können wertvolle Strukturen für Arten- und Lebensraumvielfalt entstehen, die dem Biotopverbund und als Ausgleichsflächen (Ökokonto) dienen.

Das Ziel der Stadt Selbitz, eine Schwammflur zu entwickeln, ist ambitioniert. Für einen erfolgreichen Prozess ist es entscheidend, die betroffenen Akteure und die Öffentlichkeit einzubinden, um Konflikte frühzeitig zu erkennen und kreatives Potenzial aus der Bürgerschaft zu nutzen.

4. Der Selbitzer Weg

Nach den Erfahrungen von Flut und Dürre beschloss Selbitz die Schwammflur-Vision 2040. Sie basiert auf einem gemeinsamen politischen Konsens und gelingt nur mit einem konkreten räumlichen Bezug unter Einbindung der Bürgerschaft.

Von Anfang an bestand daher ein intensiver Austausch mit den Akteuren vor Ort, insbesondere mit den Landnutzern. Basierend auf einem extern unterstützten Beteiligungskonzept und gezielter Beratung hat die Stadt die Bürgerschaft eingebunden und so die Akzeptanz erhöht. Erste Maßnahmen noch während der Planung umzusetzen, war ein weiterer wesentlicher Schritt auf dem Weg zur Schwammflur.

Bei der Entwicklung ihrer Schwammflur setzt Selbitz auf einen innovativen Dreiklang aus Landschaftsplan, Schwammflur-Konzept und Sturzflutrisikomanagement-Konzept. Der Landschaftsplan bietet der Kommune aktualisierte Planungsgrundlagen zur zukunftsfähigen Entwicklung. Das Schwammflur-Konzept stellt konkrete Maßnahmen bereit.

Das Sturzflutrisikomanagement-Konzept beinhaltet effektive Lösungen zum Schutz vor Starkregen. Die Stadt beauftragte dafür drei fachlich spezialisierte, regionale Planungsbüros, die kontinuierlich im Austausch standen.

5. Der Mehrwert

Plus an Verfahrenseffizienz: Das Schwammflur-Konzept wird zusammen mit dem neu aufzustellenden Landschaftsplan entwickelt und in diesen eingefügt. Über die anschließende Integration in den Flächennutzungsplan entsteht Planungssicherheit, die dargestellten Maßnahmen werden behördenverbindlich.

Plus an Synergien: Maßnahmen aus dem Schwammflur-Konzept sind in die Landschaft eingebunden und nicht als technische Maßnahmen, sondern als Bereicherungen des Landschaftsbildes wahrnehmbar. Sie können aufwändige technische Maßnahmen ergänzen, diese im Umfang vereinfachen oder auch vollständig ersetzen.

Plus an Kommunikation auf Augenhöhe: Das Schwammflur-Konzept lebt von Engagement und Kreativität der Bürger. Die Geschehnisse des Klimawandels haben die Bürgerschaft sensibilisiert, sie bringt nun ihr Wissen ein. Mit der zeitnahen Umsetzung erster Maßnahmen erfüllt die Stadt ihre Vorbildfunktion, was wesentlich zur Akzeptanz der drei Fachplanungen in der Stadtgesellschaft beiträgt. Dies motiviert Bürger, Maßnahmen auf privatem Grund zu realisieren.

Mehrwert für alle: Vom Schwammflur-Konzept profitieren die Bürgerschaft, die Gewerbetreibenden, die Land- und Forstwirtschaft, die Stadt und nicht zuletzt die Natur.

Ein Holzrechen wurde in die Dietscha eingebracht, um die Gewässersohle zu stützen. Foto: Roland Weiß