FAQ: Seenbericht

Die Verschmutzung der Weltmeere durch Kunststoffmüll ist seit Jahrzehnten bekannt. Seit einigen Jahren erfährt auch das Thema "(Mikro)Plastik in Binnengewässern" zunehmend Aufmerksamkeit in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit. Die Ergebnisse zum Vorkommen von Mikroplastik in bayerischen Fließgewässern wurden 2018 in einer gemeinsamen Studie der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mit dem Projektpartner (Universität Bayreuth, Lehrstuhl Tierökologie I) veröffentlicht. Der gemeinsame Bericht gibt einen Überblick über die Mikroplastikkonzentrationen in Fließgewässern vom Alpenvorland bis zum Niederrhein.

Parallel dazu wurde die Universität Bayreuth mit der Untersuchung bayerischer Seen beauftragt. Ausgewählt wurden die drei Alpenseen Ammersee, Starnberger See und Chiemsee sowie der Altmühlsee. Die Untersuchungen wurden nach der gleichen Methodik wie bei den Fließgewässern durchgeführt, sodass nunmehr auch ein direkter Vergleich zum Vorkommen von Mikroplastik in fließenden und stehenden Gewässern möglich ist.

Die vorliegende Studie beinhaltet erstmals Analysenergebnisse zum Vorkommen von Makro- und Mikroplastik in vier verschiedenen Gewässerkompartimenten von Seen.

Die von der Universität Bayreuth erhobenen Daten stellen den bis dato umfangreichsten Datensatz zum Vorkommen von Plastikpartikeln in Seen dar. Aufgrund des Pilotcharakters der Studie und der geringen Vergleichbarkeit mit anderen publizierten Daten, ist eine Interpretation der Untersuchungsergebnisse allerdings nur bedingt möglich. Wie im Bericht ausgeführt, bestehen zudem nach wie vor verfahrenstechnische Unsicherheiten, so dass eine Überinterpretation der Ergebnisse vermieden werden sollte.

Es wurden qualitative und quantitative Analysen von Kunststoffpartikeln in unterschiedlichen Seekompartimenten an Ammersee, Starnberger See, Chiemsee und Altmühlsee durchgeführt. Neben oberflächennahen Wasserproben wurden auch die Wassersäule, das Grundsediment sowie Ufersedimente untersucht. In dem nun vorliegenden Seenbericht werden die Ergebnisse vorgestellt, miteinander verglichen und erste Versuche zur Interpretation der Ergebnisse vorgenommen. Insgesamt wurden mit hohem Aufwand 42 Proben gezogen, davon 12 Proben von der Wasseroberfläche der Seen, 22 Proben aus dem Ufersediment sowie jeweils 4 Proben aus der Wassersäule und dem Grundsediment. Die Probenahme der Wassersäule zur Erfassung des Vorkommens von Mikroplastik über die gesamte Seetiefe sowie des Grundsedimentes erfolgten jeweils an der tiefsten Stelle des Sees.

Die Daten zum Vorkommen von Mikroplastik in bayerischen Seen wurden anhand aktuell anerkannter Methoden erhoben und analysiert. Der Nachweis von Kunststoffpartikeln erfolgte ausschließlich anhand eines der wenigen anerkannten Verfahren zum eindeutigen Nachweis von Plastikpartikeln, der FTIR-Spektroskopie. Diese erlaubt eine Identifizierung von Plastikpartikeln bis zu einer Größe von 20 µm. In den Proben wurde jeweils Anzahl, Größe, Form und Polymertyp der Kunststoffpartikel bestimmt. Neben Makroplastik (> 5 mm), großem Mikroplastik (5 mm - 1 mm) und kleinem Mikroplastik I (1 mm – 300 µm) wurde zusätzlich die Kategorie sehr kleines Mikroplastik II (300 µm – 20 µm) eingeführt. Gerade die detaillierte analytische Charakterisierung aller Partikel bis zu einer vergleichsweise sehr geringen Größe unterstreicht die Relevanz dieses Datensatzes.

Die im Rahmen der Pilotstudie erhobenen Daten haben zunächst orientierenden Charakter. Aufgrund der nach wie vor bestehenden methodischen Unsicherheiten dürfen die Daten nicht überinterpretiert werden. Die Analysendaten weisen jedoch auf eine ubiquitäre Präsenz von Kunststoffpartikeln in der Umwelt hin.

Unter Berücksichtigung der Unsicherheiten und des orientierenden Charakters der Studie erlaubt der umfangreiche Datensatz erste Aussagen zu allgemeingültigen Mustern sowie Besonderheiten der vorgefundenen Größenfraktionen, Polymersorten und Formen der Kunststoffpartikel.

Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Makroplastik wurde ausschließlich in Ufersedimentproben der Seen nachgewiesen. Die Konzentrationen lagen zwischen 14 und 410 Partikeln/m2. Weder in Grundsedimentproben noch in Wasserproben von der Wasseroberfläche oder der Wassersäule wurden große Kunststoffteile identifiziert.
  2. Der Nachweis von Mikroplastikpartikeln an allen Messstellen von Ammersee, Starnberger See, Chiemsee und Altmühlsee deutet auf eine ubiquitäre Präsenz dieser Fremdstoffe in der Umwelt hin.
  3. Die Partikelkonzentrationen von Mikroplastik über alle Größenklassen (5 mm - 20 µm) lagen an der Wasseroberfläche bei < 1 - 42 Partikeln/m3 und in der Wassersäule bei 2 - 44 Partikeln/m3 und damit in der gleichen Größenordnung, wie in oberflächennahen Wasserproben süd- und westdeutscher Fließgewässer. Gemeinsamer Bericht der Länder.
  4. Mikroplastik wurde im Ufersediment unter Berücksichtigung aller drei Größenklassen in Konzentration zwischen 99 - ca. 130.000 Partikeln/m2 nachgewiesen. Die Mikroplastikkonzentrationen in den Grundsedimentproben schwankten zwischen 2.173 und 9.511 Partikeln/m2. Somit lagen die Werte insbesondere in Ufersedimenten, aber auch in Grundsedimenten deutlich höher als in den Proben der Wasseroberfläche bzw. der Wassersäule.
  5. Unabhängig von See und Gewässerkompartiment stellte an den meisten Messstellen sehr kleines Mikroplastik II (300 µm - 20 µm) die dominierende Größenklasse dar. Unter Berücksichtigung der Größenfraktion kleines Mikroplastik I (1000 - 300 µm) lag der Anteil kleiner Mikroplastikpartikel in der Regel bei über 90%. Großes Mikroplastik der Größe 1 mm bis 5 mm war nur in Sedimentproben vor allem des Seeufers in nennenswerten Mengen vorhanden. In den Wasserproben war diese Größenfraktion praktisch nicht vertreten. Der hohe Anteil der bislang nur semiquantitativ erfassten, sehr kleinen Partikel weist darauf hin, dass die tatsächlichen Mikroplastikkonzentrationen wohl noch deutlich höher liegen.
  6. Die Partikel lagen in allen untersuchten Proben am häufigsten in Form von Fragmenten vor, gefolgt von Fasern. Kunststoffbeads, wie sie in Körperpflegeprodukten enthalten sind, sowie Folienreste wurden sehr selten detektiert.
  7. Die Polymerzusammensetzung der Kunststoffpartikel variierte in Abhängigkeit von Messstelle und Gewässerkompartiment. Die am häufigsten vertretenen Kunststoffsorten waren Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP). Deren Anteil betrug insbesondere in Proben von der Wasseroberfläche und Wassersäule bis zu 90%. Aber auch in den meisten Sedimentproben stellten PE und PP die dominierenden Polymersorten dar. Andere Polymere, wie zum Beispiel Polyvinylchlorid (PVC) oder Polystyrol (PS), wurden meist in geringerem Umfang nachgewiesen. In einzelnen Ufersedimentproben waren darüber hinaus geringe Mengen an Lacken enthalten.

Der vorliegende Bericht liefert erste Ergebnisse über das Vorkommen von Mikroplastik in bayerischen Seen. Der Datensatz kann unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstandes und im Vergleich zu international publizierten Studien zu den umfangreichsten und detailliertesten Datensätzen bezüglich Mikroplastik in Seen gezählt werden.

Vorbehaltlich der Tatsache, dass ein 1:1-Vergleich von Studien untereinander nur bedingt möglich ist, zeigt der internationale Vergleich, dass die in den bayerischen Seen gemessenen Konzentrationen in der gleichen Größenordnung wie in anderen weltweit untersuchten Seen mit anthropogenen Einfluss liegen und damit "durchschnittlichen" Mikroplastikkonzentrationen in Regionen mit vergleichbaren zivilisatorischen Mustern entsprechen. In einigen Ufersedimentproben wurden allerdings höhere Konzentrationen ermittelt. Dies liegt möglicherweise an einer unterschiedlichen vertikalen Positionierung der Probestellen. In der vorliegenden Studie erfolgte die Probenahme entlang des Spülsaums. Diese Vorgehensweise kann zu höheren Werten führen als eine Probenahme an der Wasserkante oder im Bereich der Hochwasserlinie.

  1. Die Konzentrationen von Kunststoffpartikeln sind insbesondere in Ufersedimenten, aber auch in Grundsedimenten deutlich höher als in den Wasserproben. Somit ist davon auszugehen, dass Seensedimente Akkumulationszonen bzw. Senken für Mikroplastikpartikel darstellen. Die Konzentrationsunterschiede an den einzelnen Messstellen der bayerischen Seen sind vermutlich unter anderem auf witterungsbedingte Einflussfaktoren, hydrologische Bedingungen (zum Beispiel Zuflüsse, Strömungen, Umwälzung etc.) sowie anthropogene Einflüsse (zum Beispiel freizeitliche Nutzung, Agrarflächen) zurückzuführen.
  2. Es wurden mit Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) überwiegend die Polymere nachgewiesen, denen auch der höchste Marktanteil zukommt. PE und PP sind Materialien, die häufig in Wegwerfprodukten des alltäglichen Gebrauchs verwendet werden. Somit besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass sie als unsachgemäß entsorgter Müll in die Umwelt gelangen. Dafür spricht auch die Tatsache, dass ein Großteil der Partikel in Form von Fragmenten vorlag. Fragmente werden sekundärem Mikroplastik zugeordnet, das durch den Zerfall größerer Plastikteile, wie zum Beispiel achtlos am Ufer zurückgelassenem Plastikmüll, entsteht. Primäres Mikroplastik, wie zum Beispiel Kunststoffbeads aus Körperpflegeprodukten oder Pellets, liefern vermutlich keinen nennenswerten Beitrag zum Vorkommen von Mikroplastik in bayerischen Seen.

Dem Thema Makro- und Mikroplastik kommt sowohl auf Landes- und Bundesebene als auch auf EU-Ebene eine zunehmende Bedeutung zu. Bayern ergriff bereits 2014 die Initiative und startete ein Fachvorhaben mit dem Titel "Eintragspfade, Vorkommen und Verteilung von Mikroplastikpartikeln in bayerischen Gewässern sowie mögliche Auswirkungen auf aquatische Organismen".

Für eine realistische Umweltbewertung ist entscheidend, ob die in den Gewässern nachgewiesenen Konzentrationen Auswirkungen auf die Gewässer und die darin lebenden Organismen haben. Es gilt mittlerweile als erwiesen, dass Plastikpartikel von verschiedensten Tierarten wie zum Beispiel Fischen aufgenommen werden. Unumstritten ist, dass insbesondere große Plastikteile verheerende Folgen für die Tierwelt haben können. Hingegen reichen die momentanen wissenschaftlichen Erkenntnisse noch nicht aus, um die Gefährlichkeit von Mikroplastik für Gewässerorganismen objektiv zu beurteilen. Das Bayerische Landesamt für Umwelt führte daher umfangreiche Studien zu möglichen Auswirkungen von Mikroplastik auf Fische und Muscheln durch.

Obwohl wissenschaftliche Erkenntnisse über die ökologischen Auswirkungen von (Mikro)Plastik in Binnengewässern noch weitgehend fehlen, ist es im Sinne des Vorsorgeprinzips notwendig, frühzeitig Maßnahmen zur Reduktion weiterer Einträge einzuleiten. Nur so kann eine fortschreitende Akkumulation dieser hochpersistenten Materialien vermieden werden. Von großer Bedeutung ist deshalb die Ermittlung relevanter Eintragspfade, um Maßnahmen effizient an der Quelle anzusetzen.

Die Vielzahl offener Forschungsfragen im Bereich Mikroplastik kann nur in großangelegten Forschungsprojekten bearbeitet werden. Dies kann nicht allein auf Länderebene geleistet werden. Sehr umfassende Projekte zu diesen Themen werden deshalb aktuell auf Bundes- bzw. EU-Ebene gefördert. So hat der Bund 2017 die BMBF-Fördermaßnahme "Plastik in der Umwelt: Quellen, Senken, Lösungsansätze" gestartet.

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