Bayerische Kurzohrmaus (Microtus bavaricus)
Die Bayerische Kurzohrmaus (Microtus bavaricus) ist eine in den Nordalpen endemische und extrem seltene Kleinwühlmausart, mit winzig kleinen Augen und sehr kurzen, im Fell verborgenen Ohrmuscheln. Sie hat eine Größe von ca. 9 bis 10 cm und ein Gewicht von ca.18 bis 28 g. In Bayern wurde sie 1962 erstmals bei Garmisch-Partenkirchen von Dr. Claus König, einem damaligen Mitarbeiter der Vogelschutzwarte in Garmisch-Partenkirchen, als bis dahin unbekannte Art beschrieben. Am Typusfundort bei Partenkirchen wurde sie seit dieser Zeit, trotz wiederholter Nachsuchen nicht mehr wiedergefunden. Auch an anderen Stellen Bayerns konnten keine Nachweise der bayerischen Kurzohrmaus erbracht werden. In der Roten Liste Bayern wird sie deshalb als ausgestorben oder verschollen aufgeführt. Stattdessen wurde sie 2001 im Rofangebirge in Tirol unweit der deutsch-österreichischen Grenze entdeckt. Bislang konnten Individuen der bayerischen Kurzohrmaus außer bei Garmisch-Partenkirchen nur bei Steinberg am Rofan gefangen werden, mit einem weiteren bestätigten Nachweis der Art aus dem Jahre 2004 in der Nähe eines Zuflusses des Ampelsbach.
Experten gehen davon aus, dass es sich um eine die Eiszeit überdauernde Art handeln könnte, die nur in einem kleinen Gebiet von den Lechtaler Alpen im Westen (Biberwier, Tirol), über das Wettersteingebirge (Garmisch-Partenkirchen, Bayern) bis zu den Bayerischen Voralpen (Rofan, Tirol) im Osten verbreitet war. Nach neueren Erkenntnissen wird sie als kleine isolierte Population der Illyrischen Kleinwühlmaus (Microtus liechtensteini) angesehen, deren Verbreitungsgebiet größer zu sein scheint. In Ostkroatien wurde 2008 ein Tier gefunden, das sich genetisch nur gering von der Bayerischen Kurzohrmaus unterscheidet.
Wesentliche Voraussetzungen für einen geeigneten Lebensraum dürften eine halboffene Vegetationsstruktur mit einem Mosaik aus Einzelbäumen, Baumgruppen und offenen Wiesenbereichen sowie tiefgründige, stabile Böden, die zur Anlage lang genutzter Bausysteme geeignet sind, sein. Da jedoch nur zwei Habitate bekannt sind, ist das Wissen zu den Lebensraumansprüchen der Art begrenzt.

Seit 1990 gab es verschiedene Versuche des Bundesamtes für Naturschutz und des LfU, die Art im Raum Garmisch-Partenkirchen wiederzufinden. In intensiven Bemühungen des LfU seit 2017 wurden weitere Versuche unternommen, noch verbliebene Populationen in Bayern aufzufinden. Dazu wurden zunächst rund um Garmisch-Partenkirchen im potentiellen Verbreitungsgebiet vom Loisachtal im Westen bis zum Weißachtal (Mangfallgebirge) im Osten Probeflächen ausgewählt, deren Vegetationsstruktur und geomorphologisches Muster dem rezenten Lebensraum am Rofan glichen und mit Lebendfallen bestückt. Untersucht wurde vor allem auch der Typusfundort von M. bavaricus, eine intensiv genutzte Weide mit kleinem Laubmischwaldbereich. Hier wurden an jeweils vier Tagen im September und Oktober 2017 zwischen 100 und 200 Lebendfallen für insgesamt 600 Fallennächte auf einer Fläche von ca. 0,5 bis 1,6 ha aufgestellt. Beprobt wurden ansonsten strukturreiche Flächen aus grasdominierten Offenflächen und Wald- beziehungsweise Gebüschformationen. Um eine möglichst hohe Fangwahrscheinlichkeit für Kleinsäuger zu erreichen, wurden die Fallen in erster Linie im Nahbereich von Wurzelstubben und daneben auch an Baueingängen, oberirdischen Wechseln sowie an Strukturelementen wie Felsblöcken und liegendem Totholz aufgestellt. Diese Strukturen werden als Leitlinien und als Schutz zur Bauanlage genützt. Nach Möglichkeit wurden alle vorhandenen Vegetationstypen auf den Probeflächen befangen.
Die Untersuchungen zwischen Garmisch-Partenkirchen und Kreuth (Lkr. Miesbach) im September und Oktober 2017 auf 14 Probeflächen mit insgesamt 2.572 Fallennächten erbrachten keinen Hinweis auf ein Vorkommen der Bayerischen Kurzohrmaus in diesem Gebiet. Die Ursachen für das Verschwinden am Typusfundort sind möglicherweise auf Nutzungsänderungen und/oder Änderungen der Vegetationsstruktur zurückzuführen, die seit dem Erstfund bis in die Jetztzeit stattgefunden haben. Damit einhergehend besteht auch die Möglichkeit der Verdrängung durch die konkurrenzstärkere Feldmaus (Microtus arvalis), eine Art, die 1962 bereits auf trockenen Wiesenbereichen in der Nähe des Typusfundorts lebte.
Im Rahmen dieser Studie sollte überprüft werden, ob die Einrichtung eines Ausbreitungskorridors für Microtus bavaricus ausgehend von dem Vorkommen in Tirol bis nach Bayern grundsätzlich realisierbar ist. Dies erwies sich trotz der relativ geringen Entfernung aufgrund fehlender Habitatstrukturen auf großen Teilen des Gebietes als nicht möglich. In einer Untersuchung am Rofan konnte 2017 zusammen mit österreichischen Kollegen gezeigt werden, dass auch die Bayerische Kurzohrmaus mit den Wildkameras grundsätzlich nachweisbar ist. Da sich die Kurzohrmäuse der Art M. subterraneus beziehungsweise M. bavaricus auf den Fotos nicht eindeutig voneinander unterscheiden lassen, ist zur sicheren Artbestimmung ein genetischer Abgleich bei Nachweisen sinnvoll. In der Nähe des Rofan, auf der Untersuchungsfläche Bayerische Wildalm, wurden Kurzohrmäuse mittels Wildkameras dokumentiert. Nach Lebendfang im Jahr 2018 und genetischer Analyse konnten sie eindeutig als Microtus subterraneus identifiziert werden. Microtus bavaricus konnte hingegen nicht nachgewiesen werden.

2020 wurden die früheren Studien zu möglichen Vorkommen der Bayerischen Kurzohrmaus im Werdenfelser Land im Landkreis Garmisch-Partenkirchen und angrenzenden Gebieten in den Landkreisen Ostallgäu und Weilheim-Schongau fortgeführt. Im Untersuchungszeitraum wurden dazu auf 13 Flächen insgesamt 36 Wildkameras für je sechs Wochen eingesetzt. Der Nachweis der Bayerischen Kurzohrmaus konnte bisher nicht erbracht werden. Dennoch wird die dreistufige Vorgehensweise von großräumiger Suche mittels Wildkameras, anschließendem Lebendfang und Artidentifikation durch Genanalyse als eine vielversprechende Methodik für die Suche nach der in Deutschland verschollenen Bayerischen Kurzohrmaus (Microtus bavaricus) eingeschätzt und für weitere Untersuchungen empfohlen.
Weiterführende Informationen
Dokumente
- König, C. (1962) Eine neue Wühlmaus aus der Umgebung von Garmisch-Partenkirchen (Oberbayern): Pitymys bavaricus (Mammalia, Rodentia). Senckenbergiana Biologica, 43 (1), 1–10.
- König, C. (1982) Microtus bavaricus (König, 1962) – Bayerische Kurzohrmaus. In: NIETHAMMER, J. & Krapp, F. (Eds.) Handbuch der Säugetiere Europas. Band 2/I. Akademische Verlagsgesellschaft, Wiesbaden, pp. 447–451.
- Spitzenberger, F. (2001) Bayerische Kurzohrmaus Microtus bavaricus (König, 1962). In: Spitzenberger, F. (Ed.) Die Säugetierfauna Österreichs. Austria Medien Service, Graz, pp. 441–443.
- Martínková, N., Zima, J., Jaarola, M., Macholan, M. & Spitzenberger, F. (2007). The origin and phylogenetic relationships of Microtus bavaricus based on karyotype and mitochondrial DNA sequence. Folia Zoologica, 56 (1), 39–49.