Chemikalienmonitoring in den Alpen
Ein besonderes Ökosystem
Extreme Temperaturen und Niederschläge, karge Lebensräume und doch eine außergewöhnliche Artenvielfalt: in alpinen Ökosystemen sind die vorkommenden Tier- und Pflanzenarten oft Spezialisten, die eng an besondere Lebensräume angepasst sind. Schadstoffe können diesen hohen Grad an Spezialisierung stören und damit das Ökosystem erheblich beeinträchtigen.
Obwohl die Alpen fernab der meisten Schadstoffquellen liegen, lassen sich dort relevante Gehalte an Schadstoffen feststellen. Viele dieser Schadstoffe stammen nicht aus der Region, sondern werden über den globalen Ferntransport eingetragen. Dies liegt zum einen daran, dass die Alpen eine meteorologische Barriere darstellen, so dass sich Luftmassen stauen und abregnen. Zum anderen führen die niedrigeren Temperaturen in den Alpen zu verstärkter Kondensation und damit auch zu einer verstärkten Abscheidung von Schadstoffen. Regen, Schnee und Staub sind somit in der Lage, mehr Schadstoffe aus der Luft „auszuwaschen“, als im Tiefland.

Grundlagen für eine sichere Zukunft schaffen
Die Verschmutzung unserer Umwelt durch Chemikalien ist neben dem Artensterben und dem Klimawandel international anerkannt als eine der drei größten Herausforderungen für den Fortbestand unserer Zivilisation. Ein Monitoring atmosphärisch transportierter Chemikalien stellt daher eine wichtige Grundlage dar, um zu beurteilen, in wie weit die Regulierung von Chemikalien die Umwelt ausreichend schützt oder ob Nachbesserungsbedarf besteht.
Das Umweltverhalten von Chemikalien ist eines von vielen Kriterien bei der Genehmigung des Einsatzes von Chemikalien in Europa. Um darüber Vorhersagen treffen zu können, kommen Modelle und Strukturanalysen zum Einsatz. Mit Messdaten können diese Vorhersagen überprüft und Modelle verbessert werden, denn nicht immer sind alle relevanten Eigenschaften von Chemikalien erfasst.
Die Messungen an der Zugspitze - ein Frühwarnsystem in den Alpen
Die Messungen des atmosphärischen Eintrags von langlebigen organischen Schadstoffen (engl. Persistent Organic Pollutants, kurz POPs) in die bayerischen Alpen wurden an der Zugspitze 2003 mit dem Projekt „MONARPOP“ (2003-2007) im Rahmen eines EU-Programms begonnen und konnten mit den Projekten POPAlp (2008-2011), EMPOP (2011-2014), PureAlps (2016-2020) und OPTIMON (2020-2024) fortgeführt werden.
Mittlerweile überwacht das LfU an der Zugspitze den Eintrag von Chemikalien dauerhaft. Die gewonnenen Daten ermöglichen eine Abschätzung, ob die Konzentrationen problematischer Chemikalien zu- oder abnehmen. So kann die Wirksamkeit internationaler Abkommen überprüft werden, beispielsweise der Stockholm-Konvention, deren Ziel es ist, besonders kritische Chemikalien weltweit zu eliminieren. Außerdem werden Ersatzstoffe oder neu eingesetzte Substanzen überwacht, um problematische Chemikalien frühzeitig zu erkennen und Grundlagen für die Nachjustierung bestehender Regulierungen zu schaffen.
Im Rahmen von Projekten werden zusätzlich aktuelle Fragen untersucht, wie zum Beispiel, ob der Klimawandel den Eintrag von POPs im Alpenraum beeinflusst.

Internationale Zusammenarbeit
Die Verteilung von Schadstoffen in der Umwelt ist durch globale Prozesse beeinflusst. Der Transport von persistenten Schadstoffen kann über weite Strecken erfolgen, weshalb eine Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg sinnvoll und notwendig ist. Das Messprogramm an der Zugspitze ist mit dem Umweltbundesamt Österreich abgestimmt, das am Hohen Sonnblick identische Untersuchungen durchführt. Für die Probenvorbereitungen und die Analytik kooperieren LfU und das Umweltbundesamt Österreich. Die Daten werden unter anderem an das Global Monitoring Programm der UN Stockholm-Konvention gemeldet.
Die Messstation
Die Messstation des LfU befindet sich auf der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus (UFS), deren Team die Betreuung der Messgeräte unterstützt. Das LfU ist neben renommierten Forschungseinrichtungen und Instituten wie der TU München (TUM) oder dem Deutschen Wetterdienst (DWD) Forschungspartner der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus. Dieser Zusammenschluss ermöglicht einen intensiven wissenschaftlichen Austausch zu diversen alpenspezifischen Themen, wie zum Beispiel über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Alpen.

Immissions- und Depositionsmessungen
Einzigartig ist, dass zusätzlich zu den Schadstoffkonzentrationen in der Luft (Immission) auch die Einträge über den Niederschlag (Deposition) erfasst werden und so wichtige Erkenntnisse zum Umweltverhalten von Chemikalien und deren Eintrag in Ökosysteme gemacht werden können. So zeigten die Messungen, dass in den Alpen trotz großer Entfernungen zu verschiedenen Emissionsquellen und geringer Luftkonzentrationen der Eintrag von POP in alpine Ökosysteme durch die atmosphärische Deposition verhältnismäßig hoch ist. Der zugrundeliegende Effekt ist das sogenannte „cold trapping“, bei dem Substanzen bevorzugt in kalter Umgebung kondensieren.
Links: Depositionssammler zur Probenahme von Umweltchemikalien. Rechts: Der Niederschlag wird über den Auffangtrichter durch mit speziellem Adsorptionsmaterial gefüllte Kartuschen geführt, an denen die Chemikalien haften bleiben.
- Polychlorierte Dioxine und Furane (PCDD/F)
- Polychlorierte Biphenyle (PCB)
- Organochlorpestizide (z.B. DDT, Endosulfan)
- Halogenierte Flammschutzmittel (z.B. HBCD, DBDPE, BDE, Dechlorane)
Ein Großteil der Messergebnisse kann über das Data Warehouse des Global Monitoring Programm der Stockholm Konvention abgerufen werden und steht so Wissenschaftlern, Behörden und interessierten Bürgern zur Verfügung.
Links: Low-Volume-Sammler zur Probenahme von Außenluft; Rechts: Niederschlagssammler zur Beprobung des gesammelten Niederschlags.
Regulierung wirkt
Größtenteils ist anhand der Messungen nachvollziehbar, dass Regulierungsmaßnahmen und Auflagen ihre Wirkung zeigen und verbotene oder beschränkte Substanzen in ihren Umweltgehalten abnehmen. So zum Beispiel für PBDE (Polybromierte Diphenylether). Bereits im Jahr 2004 wurden einige Verbindungen aus dieser Stoffgruppe, darunter auch BDE 28, in Europa verboten. Die Messungen von BDE 28 zeigen eine klare Abnahme der Konzentrationen in den Luftproben (siehe Abb. 1).

Die Messungen zeigen aber auch, dass einzelne bereits seit den 1980er Jahren verbotene Substanzen wie Polychlorierte Biphenyle (PCB), Polychlorierte Dibenzo-p-dioxine (PCDD) und Polychlorierte Dibenzofurane (PCDF) nach wie vor im Spurenbereich in der Luft und Deposition gefunden werden (siehe Abb. 2). Mögliche Eintragsquellen sind die kontinuierliche Ausgasung solcher Chemikalien aus in der Vergangenheit verbauten Materialien, durch Altlasten, die nicht korrekt entsorgt wurden, oder über den globalen Ferntransport.

Projekte zum Chemikalienmonitoring in den Alpen
Publikationen
Zusammenfassungen und Übersichtsmagazine
- Schadstoffe in den Alpen – Wirkungen auf ein sensibles Ökosystem (LfU 2022)
- Quecksilber – Das schillernde Gift und seine Umweltgeschichte (LfU 2022)
- PureAlps 2016 - 2020 – Monitoring von Schadstoffen in den Alpen (LfU 2019)
- Das PFC-Paradoxon (LfU 2018)
Für Fachpublikum und Interessierte
- OPTIMON – Abschlussbericht (LfU 2024)
- VAO-MONITORING 2019–2021, (UBA-Ö 2022)
- PureAlps – Abschlussbericht (LfU 2021)
- MONARPOP – Abschlussbericht (UBA-Ö 2015)
- POPAlp - Abschlussbericht (HMGU 2011 )
- EMPOP – Abschlussbericht (LfU 2014)
Publikationsreihe „Wissenschaftliche Resultate“ zu den Forschungsarbeiten an der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus (UFS) inklusive der Arbeiten des Bayerischen Landesamts für Umwelt:
- Zweijährige Wissenschaftliche Resultate - Aktuelle Forschung auf der UFS
Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften
- Atmosphärischer Eintrag von Quecksilber und Anreicherung in alpinen Ökosystemen. Janz P., Diemer J., Freier KP (2021): Mitteilungen der Fachgruppe Umweltchemie und Ökotoxikologie, 27. Jahrgang 2021, Gesellschaft Deutscher Chemiker, S. 10 – 14. ISSN: 1618-3258
- Der atmosphärische Eintrag von schwer abbaubaren Schadstoffen im Alpenraum - Atmospheric Deposition of Persistent Pollutants in the Alps. Freier KP, Denner M, Körner W, Moche W, Ratz G, Weiss P (2019): Jahrbuch des Vereins zum Schutz der Bergwelt (München), 84. Jahrgang 2019, S. 187-202
- Multivariate statistical air mass classification for the high-alpine observatory at the Zugspitze Mountain, Germany. Sigmund A, Freier KP, Rehm T, Ries L, Schunk C, Menzel A, Thomas K (2019): Atmospheric Chemistry and Physics 19 (19), 12477–12494.
- Air concentrations and deposition of chlorinated dioxins and furans (PCDD/F) at three high Alpine monitoring stations: Trends and dependence on air masses. Kirchner M, Freier KP, Denner M, Ratz G, Jakobi G, Körner W, Ludewig E, Schaub M, Schramm KW, Weiss P, Moche W (2020): Atmospheric Environment 223, 2020, 117199.
- Widespread Pesticide Distribution in the European Atmosphere Questions their Degradability in Air. Ludovic Mayer, Céline Degrendele, Petr Šenk, Jiři Kohoutek, Petra Přibylová, Petr Kukučka, Lisa Melymuk, Amandine Durand, Sylvain Ravier, Andres Alastuey, Alex R. Baker, Urs Baltensperger, Kathrin Baumann-Stanzer, Tobias Biermann, Pernilla Bohlin-Nizzetto, Darius Ceburnis, Sébastien Conil, Cédric Couret, Anna Degórska, Evangelia Diapouli, Sabine Eckhardt, Konstantinos Eleftheriadis, Grant L. Forster, Korbinian Freier, François Gheusi, Maria I. Gini, Heidi Hellén, Stephan Henne, Hartmut Herrmann, Adéla Holubová Šmejkalová, Urmas Hõrrak, Christoph Hüglin, Heikki Junninen, Adam Kristensson, Laurent Langrene, Janne Levula, Marie Lothon, Elke Ludewig, Ulla Makkonen, Jana Matejovičová, Nikolaos Mihalopoulos, Veronika Mináriková, Wolfgang Moche, Steffen M. Noe, Noemí Pérez, Tuukka Petäjä, Véronique Pont, Laurent Poulain, Etienne Quivet, Gabriela Ratz, Till Rehm, Stefan Reimann, Ivan Simmons, Jeroen E. Sonke, Mar Sorribas, Ronald Spoor, Daan P. J. Swart, Vasiliki Vasilatou, Henri Wortham, Margarita Yela, Pavlos Zarmpas, Claudia Zellweger Fäsi, Kjetil Tørseth, Paolo Laj, Jana Klánová, and Gerhard Lammel (2024): Environmental Science & Technology 58 (7), 3342-3352