Chemikalienmonitoring in den Alpen

Ein besonderes Ökosystem

Extreme Temperaturen und Niederschläge, karge Lebensräume und doch eine außergewöhnliche Artenvielfalt: in alpinen Ökosystemen sind die vorkommenden Tier- und Pflanzenarten oft Spezialisten, die eng an besondere Lebensräume angepasst sind. Schadstoffe können diesen hohen Grad an Spezialisierung stören und damit das Ökosystem erheblich beeinträchtigen.

Obwohl die Alpen fernab der meisten Schadstoffquellen liegen, lassen sich dort relevante Gehalte an Schadstoffen feststellen. Viele dieser Schadstoffe stammen nicht aus der Region, sondern werden über den globalen Ferntransport eingetragen. Dies liegt zum einen daran, dass die Alpen eine meteorologische Barriere darstellen, so dass sich Luftmassen stauen und abregnen. Zum anderen führen die niedrigeren Temperaturen in den Alpen zu verstärkter Kondensation und damit auch zu einer verstärkten Abscheidung von Schadstoffen. Regen, Schnee und Staub sind somit in der Lage, mehr Schadstoffe aus der Luft „auszuwaschen“, als im Tiefland.

Zu sehen ist das obere Zugspitzplatt mit dem Gletscher Nördlicher Schneeferner. Der Nördliche Schneeferner befindet sich im oberen Teil des Zugspitzplatts. Er ist Deutschlands größter Gletscher und wird als Skigebiet genutzt. Im Sommer wird versucht, durch eine Teilabdeckung mit Planen das starke Abschmelzen zu verlangsamen. Nördlicher Schneeferner im oberen Zugspitzplatt; Foto: Dr. Thomas Hornung

Grundlagen für eine sichere Zukunft schaffen

Die Verschmutzung unserer Umwelt durch Chemikalien ist neben dem Artensterben und dem Klimawandel international anerkannt als eine der drei größten Herausforderungen für den Fortbestand unserer Zivilisation. Ein Monitoring atmosphärisch transportierter Chemikalien stellt daher eine wichtige Grundlage dar, um zu beurteilen, in wie weit die Regulierung von Chemikalien die Umwelt ausreichend schützt oder ob Nachbesserungsbedarf besteht.

Das Umweltverhalten von Chemikalien ist eines von vielen Kriterien bei der Genehmigung des Einsatzes von Chemikalien in Europa. Um darüber Vorhersagen treffen zu können, kommen Modelle und Strukturanalysen zum Einsatz. Mit Messdaten können diese Vorhersagen überprüft und Modelle verbessert werden, denn nicht immer sind alle relevanten Eigenschaften von Chemikalien erfasst.

Die Messungen an der Zugspitze - ein Frühwarnsystem in den Alpen

Die Messungen des atmosphärischen Eintrags von langlebigen organischen Schadstoffen (engl. Persistent Organic Pollutants, kurz POPs) in die bayerischen Alpen wurden an der Zugspitze 2003 mit dem Projekt „MONARPOP“ (2003-2007) im Rahmen eines EU-Programms begonnen und konnten mit den Projekten POPAlp (2008-2011), EMPOP (2011-2014), PureAlps (2016-2020) und OPTIMON (2020-2024) fortgeführt werden.

Mittlerweile überwacht das LfU an der Zugspitze den Eintrag von Chemikalien dauerhaft. Die gewonnenen Daten ermöglichen eine Abschätzung, ob die Konzentrationen problematischer Chemikalien zu- oder abnehmen. So kann die Wirksamkeit internationaler Abkommen überprüft werden, beispielsweise der Stockholm-Konvention, deren Ziel es ist, besonders kritische Chemikalien weltweit zu eliminieren. Außerdem werden Ersatzstoffe oder neu eingesetzte Substanzen überwacht, um problematische Chemikalien frühzeitig zu erkennen und Grundlagen für die Nachjustierung bestehender Regulierungen zu schaffen.

Im Rahmen von Projekten werden zusätzlich aktuelle Fragen untersucht, wie zum Beispiel, ob der Klimawandel den Eintrag von POPs im Alpenraum beeinflusst.

Zu sehen sind die Sammelgeräte zum beproben von Luft- und Depositionsproben an der Zugspitze auf der Terrasse der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus. Sammelgeräte für Luft- und Depositionsproben an der Zugspitze auf der Terrasse der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus auf 2650 m über N.N.

Internationale Zusammenarbeit

Die Verteilung von Schadstoffen in der Umwelt ist durch globale Prozesse beeinflusst. Der Transport von persistenten Schadstoffen kann über weite Strecken erfolgen, weshalb eine Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg sinnvoll und notwendig ist. Das Messprogramm an der Zugspitze ist mit dem Umweltbundesamt Österreich abgestimmt, das am Hohen Sonnblick identische Untersuchungen durchführt. Für die Probenvorbereitungen und die Analytik kooperieren LfU und das Umweltbundesamt Österreich. Die Daten werden unter anderem an das Global Monitoring Programm der UN Stockholm-Konvention gemeldet.

Die Messstation

Die Messstation des LfU befindet sich auf der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus (UFS), deren Team die Betreuung der Messgeräte unterstützt. Das LfU ist neben renommierten Forschungseinrichtungen und Instituten wie der TU München (TUM) oder dem Deutschen Wetterdienst (DWD) Forschungspartner der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus. Dieser Zusammenschluss ermöglicht einen intensiven wissenschaftlichen Austausch zu diversen alpenspezifischen Themen, wie zum Beispiel über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Alpen.

Umweltforschungsstation Schneefernerhaus an der Zugspitze Umweltforschungsstation Schneefernerhaus (UFS); Foto: © Hannes Vogelmann

Immissions- und Depositionsmessungen

Einzigartig ist, dass zusätzlich zu den Schadstoffkonzentrationen in der Luft (Immission) auch die Einträge über den Niederschlag (Deposition) erfasst werden und so wichtige Erkenntnisse zum Umweltverhalten von Chemikalien und deren Eintrag in Ökosysteme gemacht werden können. So zeigten die Messungen, dass in den Alpen trotz großer Entfernungen zu verschiedenen Emissionsquellen und geringer Luftkonzentrationen der Eintrag von POP in alpine Ökosysteme durch die atmosphärische Deposition verhältnismäßig hoch ist. Der zugrundeliegende Effekt ist das sogenannte „cold trapping“, bei dem Substanzen bevorzugt in kalter Umgebung kondensieren.

Links: Depositionssammler zur Probenahme von Umweltchemikalien. Rechts: Der Niederschlag wird über den Auffangtrichter durch mit speziellem Adsorptionsmaterial gefüllte Kartuschen geführt, an denen die Chemikalien haften bleiben.

  • Polychlorierte Dioxine und Furane (PCDD/F)
  • Polychlorierte Biphenyle (PCB)
  • Organochlorpestizide (z.B. DDT, Endosulfan)
  • Halogenierte Flammschutzmittel (z.B. HBCD, DBDPE, BDE, Dechlorane)

Ein Großteil der Messergebnisse kann über das Data Warehouse des Global Monitoring Programm der Stockholm Konvention abgerufen werden und steht so Wissenschaftlern, Behörden und interessierten Bürgern zur Verfügung.

Links: Low-Volume-Sammler zur Probenahme von Außenluft; Rechts: Niederschlagssammler zur Beprobung des gesammelten Niederschlags.

Regulierung wirkt

Größtenteils ist anhand der Messungen nachvollziehbar, dass Regulierungsmaßnahmen und Auflagen ihre Wirkung zeigen und verbotene oder beschränkte Substanzen in ihren Umweltgehalten abnehmen. So zum Beispiel für PBDE (Polybromierte Diphenylether). Bereits im Jahr 2004 wurden einige Verbindungen aus dieser Stoffgruppe, darunter auch BDE 28, in Europa verboten. Die Messungen von BDE 28 zeigen eine klare Abnahme der Konzentrationen in den Luftproben (siehe Abb. 1).

Grafik zur Darstellung des Gehaltes von 2,4,4′-Tribromdiphenylether (BDE 28) in Immissionsproben der Zugspitze von 2012 bis 2023. Zu sehen ist, dass die Konzentrationen über die Zeit abnehmen. Abbildung 1: Gehalt von 2,4,4′-Tribromdiphenylether (BDE 28) in Immissionsproben der Zugspitze von 2012 bis 2023. Der Trend in Konzentrationen ist eindeutig rückläufig (R² = 0,5). Bereits 2006 wurde mit der europäischen Richtlinie 2002/95/EG (RoHS) EU-weit ein Verbot für das Inverkehrbringen von Elektro- und Elektronikgeräten ausgesprochen, die mehr als 0,1 Gewichtsprozent von polybromierten Diphenylethern aufweisen.

Die Messungen zeigen aber auch, dass einzelne bereits seit den 1980er Jahren verbotene Substanzen wie Polychlorierte Biphenyle (PCB), Polychlorierte Dibenzo-p-dioxine (PCDD) und Polychlorierte Dibenzofurane (PCDF) nach wie vor im Spurenbereich in der Luft und Deposition gefunden werden (siehe Abb. 2). Mögliche Eintragsquellen sind die kontinuierliche Ausgasung solcher Chemikalien aus in der Vergangenheit verbauten Materialien, durch Altlasten, die nicht korrekt entsorgt wurden, oder über den globalen Ferntransport.

Grafik zur Darstellung des Gehaltes von polychhlorierten Biphenylen, Dioxinen und Furanen in Depositionsproben an der Zugspitze von 2012 bis 2023. Zu sehen ist, dass die Konzentrationen über die Zeit zwar abnehmen, aber nach wie vor in geringen Konzentrationen messbar sind. Abbildung 2: Dioxine (PCDD), Furane (PCDF) und Polychlorierte Biphenyle (PCB) in Depositionsproben von der UFS, dargestellt als Summe der Toxizitätsequivalente (TEQ) nach Vorgabe der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Projekte zum Chemikalienmonitoring in den Alpen

Publikationen

Zusammenfassungen und Übersichtsmagazine

Für Fachpublikum und Interessierte

Publikationsreihe „Wissenschaftliche Resultate“ zu den Forschungsarbeiten an der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus (UFS) inklusive der Arbeiten des Bayerischen Landesamts für Umwelt:

Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften

  • Atmosphärischer Eintrag von Quecksilber und Anreicherung in alpinen Ökosystemen. Janz P., Diemer J., Freier KP (2021): Mitteilungen der Fachgruppe Umweltchemie und Ökotoxikologie, 27. Jahrgang 2021, Gesellschaft Deutscher Chemiker, S. 10 – 14. ISSN: 1618-3258
  • Der atmosphärische Eintrag von schwer abbaubaren Schadstoffen im Alpenraum - Atmospheric Deposition of Persistent Pollutants in the Alps. Freier KP, Denner M, Körner W, Moche W, Ratz G, Weiss P (2019): Jahrbuch des Vereins zum Schutz der Bergwelt (München), 84. Jahrgang 2019, S. 187-202

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