Innstudie

Überblick

Ausgelöst durch das Hochwasser vom Juni 2013 haben Bayern und Österreich Mitte 2015 beschlossen, die Möglichkeiten der Hochwasserrückhaltung am außeralpinen Inn ab Oberaudorf (rund 210 km) und an der Salzach ab der Saalachmündung (rund 60 km) in einem gemeinsamen Projekt systematisch untersuchen zu lassen. Betrachtet wurden insbesondere Flutpolder, größere Deichrückverlegungen und eine gezielte Stauraumbewirtschaftung im Hochwasserfall. Teil des Projekts waren zudem Fragen zum Umgang mit den Feinsedimenten des Inns. Ein zusammenfassender Synthesebericht der Innstudie, die Abschlussberichte der von der TU München, der TU Wien und der Universität Kassel erarbeiteten sechs Teilprojekte (A bis F) sowie ergänzende Untersuchungen des Bayerischen Landesamtes für Umwelt zu möglichen Auswirkungen einer Vorabsenkung von Staustufen sind fertiggestellt und werden hiermit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

 Untersuchungsgebiet der Innstudie an Inn und Salzach mit den potenziellen Flutpolder-Standorten (orange) und den vorhandenen Staustufen (gelb). Die Staustufen sind differenziert dargestellt: Für Stauraumbewirtschaftung berücksichtigt (gelbes Symbol), Steuerungsvorschläge erarbeitet (gelb/grau schraffiertes Symbol) und Staustufen, die vertieft geprüft werden sollen (Symbol halbseitig grau). Untersuchungsgebiet der Innstudie

Zur Einordnung der Untersuchungsergebnisse ist es wichtig zu verstehen, dass es sich bei der Innstudie um eine Potenzialstudie und nicht um eine konkrete Planung handelt. Es gibt daher insbesondere keine Zielgrößen, in welchem Umfang der Hochwasserschutz durch Hochwasserrückhalt verbessert werden soll. Die Aufgabenstellung war also nicht, für ein bestimmtes Schutzziel die dazu notwendigen Maßnahmen zu ermitteln, sondern zu untersuchen, welche Maßnahmen zum Rückhalt grundsätzlich denkbar sind und welche Wirkung diese Maßnahmen theoretisch haben würden.

Einen kompakten Überblick über die Motivation, die Aufgabenstellung, die Aufteilung des Projekts und die wesentlichen Ergebnisse der Innstudie gibt die Kurzfassung im "Synthesebericht".

Im Dezember 2023 und Februar 2024 wurden Informationsveranstaltungen in Neuburg am Inn, Vogtareuth, Burghausen und Neuötting durchgeführt. LfU, TU München und Universität Kassel stellten die Ergebnisse der Innstudie vor:

Teilprojekte der Innstudie

In einem ersten Schritt wurden in den Teilprojekten A und B verschiedene typische Hochwasserszenarien als hydrologische Eingangsdaten für die Untersuchungen in den übrigen Teilprojekten entwickelt. Gegenstand von Teilprojekt C waren die Möglichkeiten einer positiven Beeinflussung von Hochwasserwellen durch eine gezielte Stauraumbewirtschaftung am Inn. Im Teilprojekt D erfolgten die Identifizierung und Priorisierung potenzieller Standorte für den Rückhalt durch Flutpolder und Deichrückverlegungen, die nach verschiedenen Kriterien bewertet und in ihrer Wirkung auf den Hochwasserabfluss untersucht wurden. Die Teilprojekte E und F beschäftigten sich mit Fragestellungen zum Sedimenttransport bei Hochwasser am Inn.

Im Folgenden werden ausschließlich die wesentlichen Ergebnisse zur Stauraumbewirtschaftung (Teilprojekt C) und zu den potenziellen Flutpolderstandorten und Deichrückverlegungen (Teilprojekt D) erläutert.

Wesentliche Ergebnisse der Stauraumbewirtschaftung (Teilprojekt C)

Anhand von verschiedenen Hochwasserereignissen wurde untersucht, ob es durch einen angepassten Betrieb der Stauanlagen Potenziale gibt, den Hochwasserscheitelabfluss des Inns zu verringern. Als Ergebnis zeigt sich, dass bei Berücksichtigung der untersten acht Stauanlagen am Inn durch Vorabsenkung und Wiederaufstau im Bereich des Hochwasserscheitels am Pegel Passau-Ingling prozentuale Abflussminderungen von 1 % bis 9 % erreicht werden können. Dabei ist das Potenzial zur Abminderung des Wellenscheitels bei häufigeren Hochwassern (HQ10 bis HQ30) mit 5 % bis 9 % deutlich größer als bei HQ100 und darüber hinaus (1 % bis 2,5 %).

Eine Analyse von Vorhersagedaten zeigt, dass der Abstauvorgang rechtzeitig eingeleitet werden kann, so dass die damit verbundenen temporären Abflusserhöhungen keine negativen Auswirkungen unterstrom hervorrufen.

Zusätzlich wurde die Wechselwirkung von Flutpolderbetrieb und Stauraumbewirtschaftung untersucht. Die Auswertung der Simulationsergebnisse für die unterschiedlichen Hochwasserereignisse zeigt, dass sich bei gemeinsamem Betrieb von Flutpoldern und Stauraumbewirtschaftung am Inn die Einzelwirkungen nahezu additiv überlagern und die positive Wirkung der Stauraumbewirtschaftung auch bei Flutpolderbetrieb erhalten bleibt.

Zusammenfassend wurde festgehalten, dass eine gezielte Stauraumbewirtschaftung im Hochwasserfall eine additive Maßnahme zu Rückhalteräumen und Flutpoldern darstellt.

Wesentliche Ergebnisse zu den potenziellen Flutpolderstandorten und Deichrückverlegungen (Teilprojekt D)

Mit Hilfe eines zweidimensionalen hydrodynamischen Modells wurden die Abflussverhältnisse und Überschwemmungsflächen an Inn und Salzach sowohl im historischen Zustand vor der Flusskorrektion als auch im Ist-Zustand ermittelt. Durch den Vergleich der beiden Zustände konnten die Auswirkungen der anthropogenen Veränderung sowie mögliche reaktivierbare Standorte insbesondere für gesteuerten Hochwasserrückhalt aufgezeigt werden. Insgesamt wurden mehr als hundert mögliche Rückhalteräume identifiziert, die in einer ersten Grobbewertung vor allem hinsichtlich technischer Machbarkeit und Mindestgröße des reaktivierbaren Volumens auf 32 potenzielle Flutpolderstandorte und drei Standorte für größere Deichrückverlegungen reduziert wurden.

In weiteren Schritten erfolgte eine Priorisierung bezogen auf die vier hydrologischen Abschnitte Inn/Oberaudorf bis Wasserburg, Inn/Wasserburg bis Salzachmündung, Inn/Salzachmündung bis Passau und Salzach/Saalachmündung bis Inn und schließlich eine Untersuchung der Wirkung der vielversprechendsten Standorte. Für die jeweils drei bestplatzierten Standorte in den vier Abschnitten (insgesamt zehn Standorte, da im Abschnitt Wasserburg bis Salzachmündung nur ein Standort verblieb) wurden detaillierte hydraulische Wirkungsanalysen der einzelnen Standorte ("Einzelwirkungsanalysen") durchgeführt.

Bei den Einzelwirkungsanalysen konnten für den Pegel Wasserburg mögliche Scheitelabminderungen von etwa 300 m3/s beziehungsweise 15 % (Standort Feldkirchen) und für Passau-Ingling von etwa 800 m3/s beziehungsweise 18 % (Standort Inzing) ermittelt werden. Damit wird auch das Abflussgeschehen an der österreichischen Donau günstig beeinflusst. Die umfangreichen Ergebnisse der Wirkungsanalysen, ergänzt durch weitere technische und wirtschaftliche Bewertungen sowie durch die Ergebnisse einer naturschutzfachlichen Übersichtsbewertung, flossen in eine abschließende Priorisierung der zehn detaillierter untersuchten Standorte ein. Die mit Abstand beste Bewertung insgesamt erzielte dabei der Standort Feldkirchen zwischen Rosenheim und Wasserburg bei Flusskilometer 176.

Der Umgriff des potenziellen Flutpolderstandorts Feldkirchen am Inn (zwischen Rosenheim und Wasserburg). Potenzieller Flutpolderstandort Feldkirchen

Da Hochwasserereignisse am Inn unterschiedliche Schwerpunkte haben können (Inn- oder Salzachgebiet) und damit in unterschiedlichen Bereichen kritische Situationen möglich sind, wurde empfohlen, Rückhalteräume am Inn sowohl oberhalb von Wasserburg als auch im untersten Abschnitt, welcher von der Salzach dominiert werden kann, vorzusehen.

Ergänzend erfolgten noch Wirkungsanalysen für drei Standorte mit einer möglichen Deichrückverlegung. Die Deichrückverlegungen zeigen meist eine geringe Auswirkung auf die Hochwasserscheitelabflüsse im weiteren Verlauf des Inns. Sie haben ihre hydraulische Wirkung eher in der lokalen Wasserspiegelabsenkung und ihre Vorteile vor allem aus ökologischer Sicht.

Mit den vorgelegten Ergebnissen steht ein umfangreicher Datensatz zur Erarbeitung von möglichen Maßnahmen und zur vertieften Systemanalyse zur Verfügung.

Unterschiede zu den Verhältnissen an der Donau

Um die Ergebnisse der universitären Studien besser einordnen zu können, werden im Folgenden die wesentlichen Unterschiede zu den Verhältnissen an der Donau herausgestellt. Im Verlauf der Untersuchungen zeigte sich, dass die untersuchte Innstrecke sich in mehreren Aspekten grundlegend von der bayerischen Donau unterscheidet. Die Innstudie kommt daher insbesondere bei der Wirtschaftlichkeit von Flutpoldern und bei der Wirkung eines Stauraummanagements zu anderen Schlussfolgerungen als die umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchungen zum Flutpolderprogramm an der bayerischen Donau.

a) Wirkung einer gezielten Staustufenbewirtschaftung im Hochwasserfall

Ansatzpunkt eines Hochwasserrückhalts durch bestehende Staustufen ist es, den Stauwasserspiegel vor dem Hochwasser abzusenken und den so entstandenen Rückhalteraum zur Verringerung des Hochwasserscheitels zu nutzen. Die Untersuchungen zur Stauraumbewirtschaftung an der Donau zeigten, dass dies im Einsatzspektrum der Flutpolder, also bei großen Hochwasserereignissen, nur in sehr geringem Umfang möglich ist. Dies liegt maßgeblich daran, dass mit dem ansteigenden Hochwasserabfluss auch der Wasserstand unterhalb einer Staustufe ansteigt. An der Donau führt dies dazu, dass der freigemachte Rückhalteraum in den Staustufen bereits bei Hochwasserereignissen in der Größenordnung eines 100-jährlichen Hochwassers durch den Rückstau von unterhalb weitgehend wieder aufgefüllt ist und zur Verringerung des Hochwasserscheitels kaum oder nicht mehr zur Verfügung steht. Die untersuchten Staustufen am unteren Inn sind im Gegensatz dazu so hoch aufgestaut, dass der Wasserstand unterhalb der Staustufen auch bei sehr großen Hochwasserereignissen noch mehrere Meter unterhalb des Stauwasserspiegels liegt. Damit kann der durch die Vorabsenkung freigemachte Rückhalteraum auch bei großen Hochwasserereignissen weitgehend zur Verringerung des Hochwasserscheitels genutzt werden.

b) Wirtschaftlichkeit von Flutpoldern

Während die Hochwasserschutzanlagen an der Donau entsprechend der Zielsetzung des Bayerischen Landesentwicklungsprogramms zum Großteil vor einem 100-jährlichen Hochwasser (HQ100 - zum Teil einschließlich Klimaänderungszuschlag) schützen, besteht am Inn durch den Staustufenausbau über weite Strecken ein Schutz vor einem 1.000-jährlichen Hochwasser. Einsatzbereich der Flutpolder in Bayern ist aber der Bereich über dem Bemessungshochwasser der Schutzanlagen, insbesondere um auch bei selteneren Ereignissen als HQ100 ein unkontrolliertes Versagen von Hochwasserschutzanlagen zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Hier zählt buchstäblich "jeder Zentimeter", um den der Hochwasserstand verringert werden kann. An der Donau erstreckt sich die Wirkung der Flutpolder damit auf sehr große, zum Teil dicht besiedelte Flächen im gesamten bayerischen Donautal. Am Inn kann eine vergleichbare Wirkung nur für die wenigen Abschnitte mit Hochwasserschutzanlagen erreicht werden, die nicht bereits vor einem 1.000-jährlichen Hochwasser geschützt im Bereich der Stauhaltungen liegen. Im Wesentlichen sind dies örtliche Schutzanlagen im Abschnitt zwischen Wasserburg und Mühldorf sowie einige Teilbereiche der Städte Passau und Schärding. Die Wirtschaftlichkeit von Flutpoldern am Inn ist daher kritisch zu prüfen.

Umsetzungsschritte zur Innstudie

Mit den Ergebnissen der Innstudie liegen nunmehr fundierte Grundlagen über die Möglichkeiten und Grenzen der Stauraumbewirtschaftung und des Hochwasserrückhalts durch Flutpolder und Deichrückverlegungen im Untersuchungsgebiet ebenso vor wie zum Verhalten der Feinsedimente im Inn insbesondere bei Hochwasser. Diese Grundlagen werden genutzt, um in weiteren Schritten konkrete Verbesserungen des Hochwasserschutzes und des Sedimentmanagements umzusetzen:

Eine gezielte Stauraumbewirtschaftung im Hochwasserfall am unteren Inn stellt im Bereich des Hochwasserrückhaltes eine wirksame additive Maßnahme dar, die ohne größere bauliche Anpassungsmaßnahmen umgesetzt werden kann. Mögliche Auswirkungen einer Vorabsenkung auf die Ökologie und den Feststofftransport, auf die im Zusatzbericht des Landesamtes für Umwelt zur Innstudie eingegangen wird, sind jedoch zu beachten. Nächster Schritt einer pilothaften Umsetzung für zunächst zwei Staustufen am unteren Inn ist eine Vorplanung. Dabei werden die hierfür notwendigen naturschutzfachlichen Kartierungen durchgeführt und auch weitere Aspekte wie zum Beispiel die Standsicherheit der Stauhaltungsdämme näher untersucht.

Wegen der positiven Wirkung insbesondere auf die Innstrecke von Wasserburg bis Mühldorf wurde der Flutpolderstandort Feldkirchen bei Rosenheim in der Innstudie vergleichsweise am besten bewertet.

Vor weiteren Planungsschritten soll für die zehn potenziellen Flutpolderstandorte die Frage der Wirtschaftlichkeit fundiert untersucht und geklärt werden. Für potenzielle Flutpolderstandorte am unteren Inn ist eine Wirtschaftlichkeit nach derzeitiger Einschätzung allenfalls dann erreichbar, wenn auch die Wirkung auf die Donau unterhalb von Passau in eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung mit einbezogen wird. Entsprechende Untersuchungen müssten als gemeinsames Projekt der bayerischen und der österreichischen Wasserbauverwaltungen durchgeführt werden.

Zum Umgang mit Feinsedimenten des Inn finden bereits weitere Untersuchungen im Abschnitt zwischen der Staustufe Langkampfen und der Staustufe Wasserburg in enger Zusammenarbeit mit Österreich und dem VERBUND als Betreiber der Staustufen statt. Diese sollen schrittweise auf die übrige Innstrecke übertragen werden.

Weiterführende Informationen

Links

Teilen