Flutpolder in Bayern

Ein Flutpolder ist ein eingedeichtes Gebiet mit geringem Schadenspotenzial, das bei sehr großen Hochwasserereignissen als Rückhalteraum dient. Die Flutung kann entweder über feste Überlaufstrecken (ungesteuerte Flutpolder) oder gesteuerte Einlaufbauwerke (gesteuerte Flutpolder) erfolgen. In Bayern sollen Flutpolder eingesetzt werden, um die Sicherheit unterhalb liegender Hochwasserschutzanlagen bei Abflüssen zu erhöhen, die deren Bemessungshochwasser überschreiten. Auf diese Weise verbleiben im Überlastfall noch Handlungsoptionen. In der Regel werden die meist land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen im Flutpolder geflutet, um die Gefahr eines Überlaufens oder unkontrollierten Versagens von Hochwasserschutzanlagen wie zum Beispiel Deichen im Unterlauf des Gewässers zu vermindern. Die durch die Flutung im Flutpolder entstehenden Schäden werden vollumfänglich ersetzt. Bei gesteuerten Flutpoldern kann die Flutung gezielt geschehen, kurz bevor die Hochwasserwelle ihre Spitze erreicht. Auf diese Weise lässt sich der Hochwasserscheitel effektiv reduzieren, oder zumindest Zeit für Evakuierungen und die Sicherung mobiler Werte gewinnen. Bei sinkenden Pegeln wird die zurückgehaltene Wassermenge dann wieder in den Fluss abgegeben.

Gesteuerte Flutpolder können den Ausschlag geben, wenn es darauf ankommt, die Wasserstände um die entscheidenden Zentimeter zu reduzieren.

Die bayerische Staatsregierung verfolgt das Ziel eines zügigen Ausbaus des bayernweiten Hochwasserschutzes. Insgesamt sollen im Rahmen des Bayerischen Gewässer-Aktionsprogramms 2030 weitere 150.000 Menschen gezielt vor einem hundertjährlichen Hochwasserereignis (HQ100) geschützt werden. Gesteuerte Flutpolder sollen darüber hinaus diesen Grundschutz ergänzen und nur bei sehr großen Hochwasserereignissen zum Einsatz kommen. Flutpolder sind Teil der bayerischen Klimaanpassungsstrategie.



Umsetzungsstand

Standort des Flutpolders Riedensheim an der Donau. Luftbild auf dem die Ausmaße des sich derzeit im Bau befindlichen Flutpolders Riedensheim zu sehen sind. Standort des Flutpolders Riedensheim; Foto: Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt

In Bayern ist der gesteuerte Flutpolder Weidachwiesen an der Iller oberhalb der Stadt Kempten seit 2007 in Betrieb. Der Flutpolder Riedensheim an der Donau ist seit 2020 technisch betriebsbereit. Das Hochwasserrückhaltebecken Feldolling an der Mangfall ist derzeit im Bau. Die Flutpolder Großmehring, Katzau und Öberauer Schleife an der Donau sind positiv raumgeordnet. Für die Öberauer Schleife soll 2021 die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens beantragt werden. Weitere geplante Standorte, die derzeit noch in früheren Planungsstadien sind, befinden sich an Donau, Inn und Main.

Flutpolder an der Donau

Karte des Donaugebietes mit allen größeren Zuflüssen, auf dem die Standorte der geplanten Flutpolder mit farbigen Punkten eingezeichnet sind. Riedensheim ist technisch betriebsbereit, Steinkirchen befindet sich als gesteuerter Rückhalteraum im Bau, für Großmehring, Katzau und Öberauer Schleife ist das Raumordnungsverfahren abgeschlossen, für Leipheim, Helmeringen und Neugeschüttwörth ist demnächst das Raumordnungsverfahren geplant und für Bertoldsheim, Eltheim und Wörthhof werden vertiefte Wirkungsbetrachtungen durchgeführt. Flutpolderstandorte an der Donau mit gesteuertem Rückhalteraum Steinkirchen (Stand: September 2021)

Weiteres Vorgehen für die Realisierung der Flutpolder an der Donau. Schematische Darstellung des Vorgehens in Bayern: Planungsschritte Vorläufige Sicherung, Vorplanung, Raumordnungsverfahren, Detailplanung, Planfeststellungsverfahren und Bau mit jeweiliger Zuordnung der an der Donau geplanten Flutpolderstandorte. Verfahrensstand der potenziellen Flutpolder an der Donau

Weitergehende Untersuchungen insbesondere zu den geplanten Flutpoldern Bertoldsheim, Eltheim und Wörthhof

Mit Ministerratsbeschluss vom 14.01.2019 wurde das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz beauftragt, das Flutpolderprogramm an der Donau fortzuführen und für die drei im Koalitionsvertrag CSU/FREIE WÄHLER für die Legislaturperiode 2018-23 infrage gestellten Flutpolderstandorte Bertoldsheim, Eltheim und Wörthhof an der Donau vertiefte Untersuchungen durchzuführen. Folgende Aspekte wurden dabei untersucht:

  1. weitere Untersuchungen zu Rückhaltemöglichkeiten an den großen Seitenzuflüssen der Donau,
  2. ergänzende Überprüfung der Wirkung der Flutpolder,
  3. ergänzende Betrachtungen zum Staustufenmanagement im Hochwasserfall,
  4. Grundwassersituation an den drei genannten Standorten.

Aufbau, Methoden und Ergebnisse dieser Untersuchungen sind im "Synthesebericht" zusammengefasst:

In den jeweiligen Abschlussberichten sind die durchgeführten Studien ausführlich dokumentiert:

In der folgenden Auswertung sind weitere Informationen zu den bei der ergänzenden Überprüfung der Flutpolderwirkung ermittelten Wasserstandsreduktionen zusammengestellt:

Bedarfsermittlung

Entlang der Donau sind Flutpolderstandorte vorgesehen, um dort die Risiken einer Überlastung der Hochwasserschutzanlagen zu vermindern. Im Auftrag der bayerischen Wasserwirtschaftsverwaltung wurden hierzu mehrere Studien erstellt, die im Rahmen der "Bedarfsermittlung" zusammengefasst sind.

In der Studie "Verzögerung und Abschätzung von Hochwasserwellen entlang der bayerischen Donau" (2012) wurde durch die Technische Universität München, Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft, zunächst in einer historischen Betrachtung ein Vergleich des Donauzustands von 1800 mit dem heutigen Zustand vorgenommen. Mit Hilfe umfangreicher Computersimulationen wurden die Veränderungen an der Donau, insbesondere der Verlust von Retentionsräumen durch Deich- und Dammbauten, untersucht. Anschließend wurden die Auswirkungen des Retentionsraumverlusts auf den Hochwasserabfluss ermittelt. Ausgehend vom historischen Überschwemmungsgebiet wurden mögliche Flutpolderstandorte identifiziert sowie deren örtliche und überörtliche Wirkung entlang der gesamten bayerischen Donau nachgewiesen [Bedarfsermittlung Anhang 1].

In der auf der Studie der Technischen Universität München von 2012 aufbauenden "Vertieften Wirkungsanalyse" (2017) wurde von der Technische Universität München neben ergänzenden Untersuchungen, wie Kombinationswirkungsanalysen sowie Einzelwirkungsanalysen neu hinzugekommener Flutpolderstandorte, eine Priorisierung der möglichen Standorte hinsichtlich ihrer Wirkung auf den Hochwasserrückhalt vorgenommen. [Bedarfsermittlung Anhang 2, Teil 1].

Im Zuge der Alternativenprüfung wurden von der Technische Universität München im Rahmen der "Vertieften Wirkungsanalyse" (2017) die Potenziale einer optimierten Bewirtschaftung der Staustufen an der Donau bei Hochwasser untersucht [Bedarfsermittlung Anhang 2, Teil 2].

Für den Donauabschnitt Iller- bis Lechmündung wurde im Rahmen einer Bedarfsplanung (2017) das Gesamtkonzept "Hochwasserschutz-Aktionsprogramm Schwäbische Donau" entwickelt, indem aus dem für das Projektgebiet ermittelten Schadenspotenzial bei Hochwasserereignissen regionale Projektziele abgeleitet wurden. Potenzielle Flutpolderstandorte wurden umfassend priorisiert und darauf aufbauend mehrere Lösungsansätze untersucht und miteinander verglichen [Bedarfsermittlung Anhang 3].

Um einheitliche Planungsgrundlagen an der gesamten bayerischen Donau herzustellen, wurde analog zu der Bedarfsplanung für die schwäbische Donau auch im Donauabschnitt Lechmündung bis Landesgrenze das Schadenspotenzial für verschiedene hydrologische Szenarien ermittelt (2017) [Bedarfsermittlung Anhang 4].

Im Rahmen des "Hochwasserdialogs Bayern" wurden ab Anfang 2015 für alle geplanten Standorte entlang der Donau Diskussionsveranstaltungen mit den Bürgerinnen und Bürgern in den jeweiligen Regionen durchgeführt. Zusätzlich wurden für weiter zu verfolgende Flutpolderstandorte Workshops und Arbeitskreise zu den Themenbereichen Grundwasser, Infrastruktur, Landwirtschaft und Naturschutz durchgeführt, deren Ergebnisse in die weitere Planung mit einfließen sollen. Dabei waren insbesondere die Raumplanung, aber auch Fragen nach Sekundärschäden und sog. Kaskadeneffekten als Folgen sehr großer Hochwasserereignisse viel diskutiert. Aus diesem Grund wurde von Prof. Dr. Greiving (Technische Universität Dortmund, Fakultät für Raumplanung) eine zusammenfassende Darstellung der Themen Raumplanung und Siedlungsentwicklung im Zusammenhang mit den geplanten Flutpoldern an der Donau erstellt (2016) [Bedarfsermittlung Anhang 5].

Ebenfalls im Rahmen der Alternativenprüfung wurden die Auswirkungen kleinerer im Einzugsgebiet der geplanten Flutpolder verteilten Retentionsmaßnahmen untersucht (2018). Dafür wurde ein Überblick über an den Donauzuflüssen bereits durchgeführte Untersuchungen und umgesetzte Maßnahmen erstellt (Teil 1). Im Rahmen des Hochwasserdialogs wurde seitens der Bevölkerung vielfach vorgeschlagen, das Hochwasserrisiko an der Donau mit vielen im gesamten Donaueinzugsgebiet verteilten Hochwasserrückhaltebecken anstelle von gesteuerten Flutpoldern zu reduzieren. Es wurde daher die Wirkung fiktiver Rückhaltebecken an den Zuflüssen mit der Wirkung der an der Donau geplanten Flutpolder verglichen (Teil 2) [Bedarfsermittlung Anhang 6].


Untersuchungen an anderen bayerischen Gewässern

An Main, Inn und Unterer Iller werden ebenfalls Studien zur Identifikation von geeigneten Standorten durchgeführt.

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