Schneedeckenaufbau im Winter 2020/2021

Im Vergleich zum Vorjahr war der Winter 2020/2021 schneereicher, die Saison länger und bezüglich der Lawinensituation phasenweise kritischer. Außer in den Hochlagen und am Ende der Saison war die Schneemächtigkeit dennoch den Großteil des Winters hindurch unterdurchschnittlich. Große Neuschneefälle innerhalb kurzer Zeit wie beispielsweise Mitte Januar und im März hatten jedoch Auswirkungen auf die Lawinengefahr und auf die Arbeit der Lawinenkommissionen und Sicherheitsbehörden. Die Skigebiete blieben aufgrund der Pandemie geschlossen. Wintersportler waren eigenverantwortlich auf den sonst überwachten Skipisten unterwegs. Der Lawinenunfall vom 14. Januar 2021, der sich auf einer geschlossenen Skipiste im Skigebiet Brauneck ereignete, wäre unter normalen Umständen bei Überwachung des Skigebiets durch die örtliche Lawinenkommission höchstwahrscheinlich nicht passiert.

Der Herbst 2020 stellte sich in den Hochlagen durchaus winterlich dar. Bereits Ende September fielen oberhalb 1.200m mit Schwerpunkt im Allgäu bis zu 50cm Schnee. Dagegen lag im auffällig warmen Monat November die gemessene Schneehöhe bei fast allen Messstationen des Lawinenwarndiensts weit unter dem langjährigen Mittel.

Am Weihnachtsabend fielen verbreitet zwischen 20 und 40 cm Schnee im bayerischen Alpenraum. Bis Mitte Januar bestimmt dann Hochdruck das Wettergeschehen. Bei kalten Temperaturen und nächtlicher Abstrahlung wandelt sich der Schnee von Weihnachten aufbauend in eine 10 bis 30 cm mächtige Schwimmschneeschicht um.

Die Kaltfront eines Tiefs mit Kern über Südskandinavien erreichte die Bayerischen Alpen und führte am 13. Januar aus Nordwesten polare Meeresluft heran. Niederschläge breiteten sich im weiteren Verlauf ostwärts zum Alpenrand aus und führten zu anhaltenden Niederschlägen am westlichen Alpenrand bis in tiefe Lagen. Dabei schneite es im Allgäu mehr als 60cm in 24 Stunden. Starker Wind verfrachtete den Schnee teils umfangreich.

Die Okklusion eines Tiefs mit Kern bei Island schwenkte nur langsam über Südbayern hinweg und sorgte für anhaltende Schneefälle im bayerischen Alpenraum am 17. und 18. Januar. Auch in mittleren Lagen wurden bis zu 30cm Neuschnee über 24 Stunden gemessen (siehe Abbildung 2).

Schneehöhenentwicklung im Winter 2020/2021 an der Station Fellhorn (1.610m ü.NN) relativ zur Spannbreite der Messwerte innerhalb der seit 1998 erhobenen Schneehöhen und zu deren Mittelwerten. Grafik der Schneehöhenentwicklung an der Messstation Fellhorn (1.610m ü.NN). Abbildung 2: Saisonverlauf der Temperatur, der Windgeschwindigkeit und der Schneehöhe an der automatischen Messstation am Fellhorn (1.610m ü.NN), die Schneehöhe (dunkelblaue Linie) bleibt unterhalb der langjährig gemittelten Schneehöhe (hellblaue Linie), außer Mitte Januar und ab Mitte März 2021, als außergewöhnlich große Mengen Neuschnee fielen; Quelle: LWD Bayern

Hervorzuheben ist die durch eingeflossene arktische Luftmassen entstandene extreme Kälte Mitte Februar, wodurch auf der Zugspitze nachts Temperaturen von bis zu knapp -40° Celsius erreicht wurden und es zu starker Oberflächenreifbildung kam.

Schwacher Hochdruckeinfluss und milde Luft in südwestlicher Anströmung prägten das Wetter im bayerischen Alpenraum Ende Februar. Föhnwinde und die oft milden Temperaturen führten zu einer starken Abnahme der Schneehöhe in tiefen und mittleren Lagen.

Im Verlauf schwächte sich der Hochdruckeinfluss ab und am 4. März zog von Westen her ein Frontensystem heran. Die Neuschneemengen vom 5. März lagen bei 10 bis 20cm, in manchen Staulagen im Oberallgäu bei ca. 30cm, und fielen auf eine allgemein gut verfestigte und kompakte Altschneedecke. Mit einer Kaltfront strömte am 14. März von Norden feuchtkalte und labil geschichtete Luftmassen polaren Ursprungs nach Bayern und brachten den Winter vollständig zurück. Diese Großwetterlage hielt die darauffolgende Woche an und brachte große Mengen Neuschnee mit sich. So fielen beispielsweise in den Allgäuer Alpen bis zu zwei Meter Neuschnee, wodurch sich nach Setzung eine Zunahme der Schneehöhe von bis zu einem Meter ergab. Die Schneehöhe lag bei allen Messstationen des Lawinenwarndiensts zu diesem Zeitpunkt deutlich über dem langjährigen Mittel.

Der April war von Luft polaren Ursprungs geprägt und es kam wiederholt zu starken Schneefällen, was zu einer überdurchschnittlichen Schneemächtigkeit zum Ende der Saison führte.

Lawinengefahr im Winter 2020/2021

Die Lageberichtssaison 2020/2021 begann mit dem Lawinenlagebericht für den 25. Dezember. Mit den Schneefällen Ende Dezember lag zum ersten Mal in dieser Saison eine geschlossene Schneedecke über dem bayerischen Alpenraum. Oberhalb der Waldgrenze bildeten sich frische, störanfällige Triebschneeansammlungen. Die Lawinengefahr überschritt Stufe 3, also erhebliche Gefahr, aber nicht.

Die Schneedecke baute sich anschließend durch kalte Temperaturen und Abstrahlung in klaren Nächten stark auf, das heißt sie bestand hauptsächlich aus kantigen Kristallen mit wenigen Bindungen untereinander (sogenannter Schwimmschnee). Bis zu 30cm Neuschnee im Allgäu und eine schlechte Bindung zum Schwimmschnee bedingte am 13. Januar einen Anstieg der Lawinengefahr auf erheblich, bevor sich die Situation in den darauffolgenden Tagen weiter durch starke Neuschneefälle verschärfte und die Lawinenwarnstufe 4, also groß, ausgegeben wurde.

Insgesamt war die Lawinensituation in dieser Zeit mit großer Lawinengefahr sehr kritisch. Mehrere Lawinenunfälle mit Personenbeteiligung ereigneten sich in diesen Wochen. Vor allem im Allgäu mussten die Lawinenkommissionen viele Straßensperrungen durchführen.

Ab dem 18. Januar entspannte sich die Situation im bayerischen Alpenraum geringfügig. Die Warnstufen wechselten zwischen mäßig und erheblich, wobei das Hauptproblem Triebschnee war. Am 29. Januar wurde erneut die Lawinenwarnstufe 4 ausgegeben. In niedrigeren Lagen unterhalb von 1.600m waren Nassschneelawinen das maßgebliche Problem, welche durch starke Regenfälle verursacht worden waren (siehe Abbildung 4). In höheren Lagen lag ein Neuschnee- und Triebschneeproblem vor.

In den darauffolgenden Wochen wurde ein frühes Ende der Wintersaison immer wahrscheinlicher. Die Schneedecke war stark zurückgegangen, der Boden aperte Ende Februar mit den steigenden Temperaturen zusehends aus. Aufgrund des erneuten Wintereinbruchs stieg die Lawinengefahr jedoch am 15. März wieder auf erheblich und am 16. März in den Hochlagen der Allgäuer und Werdenfelser Alpen auf groß an. Das Hauptproblem war Neuschnee. Zahlreiche Straßensperrungen, vor allem in den Landkreisen Oberallgäu, Ostallgäu und Miesbach, mussten von den örtlichen Lawinenkommissionen angeordnet werden. Ende März aperte der Untergrund aufgrund warmer Temperaturen bis 1.500m wieder weitgehend aus, bevor sich ab dem 7. April nochmal winterliche Verhältnisse einstellten. Die Lawinengefahr blieb bis zum Ende der Saison mäßig aufgrund des Neuschnees und einer anschließenden Nassschneephase.

Insgesamt ist der Gefährdungsverlauf im Winter 2020/2021 als normal einzustufen mit dem Hauptproblem Triebschnee, welches das Lawinengeschehen dominierte. Die Gefahrenstufe 4 wurde an neun Tagen herausgegeben. Insgesamt ereigneten sich sechs Lawinenunfälle im freien Tourengelände, bei denen sich die Tourengeher zum Teil Verletzungen zuzogen. Todesfälle waren glücklicherweise nicht zu beklagen. Wir danken den ehrenamtlichen Lawinenkommissionsmitgliedern und Beobachtern für ihre Einsatzbereitschaft, die einen unersetzbaren Beitrag leisten, um die Bevölkerung vor Lawinenunglücken zu schützen.

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