Projekt Veränderungen der Humusqualität und -quantität bayerischer Böden im Klimawandel

Humus, also die tote organische Bodensubstanz, ist ein enorm wichtiger Faktor für die Steuerung der Wasserhaltekapazität, des Puffer- und Filterpotentials sowie der Nährstoffspeicherung und -nachlieferung von Böden. Außerdem stellt er den bedeutendsten terrestrischen Speicher für organisch gebundenen Kohlenstoff dar.

Neben Bewirtschaftungseinflüssen reagiert der Humus empfindlich auf Änderungen der Bodentemperatur- und -feuchte, die wiederum durch den Klimawandel beeinflusst werden. So hat sich in Bayern die mittlere Jahrestemperatur zwischen 1931 und 2010 bereits um 1,1°C von 7,1 auf 8,2°C erhöht und Klimaprojektionen für die nahe Zukunft (bis 2050) prognostizieren eine weitere Erhöhung zwischen 0,8 und 1,9°C. Die mittleren Jahresniederschlagssummen blieben bisher zwar weitestgehend gleich, ihre Verteilung hat sich aber geändert und zwar hin zu einer deutlichen Zunahme im hydrologischen Winterhalbjahr (November bis April) und tendenziellen Abnahmen im Sommerhalbjahr (Mai bis Oktober).

Nach derzeitigem Kenntnisstand wird sich der Klimawandel wohl tiefgreifend auf den Umsatz von organischem Bodenkohlenstoff auswirken. Allerdings gibt es im Moment nur begrenzte Erkenntnisse hinsichtlich der Temperatursensitivität der organischen Bodensubstanz beziehungsweise ihrer Komponenten. Modellierungen hingegen zeigen, dass der für Bayern vorhergesagte Temperaturanstieg möglicherweise einen verstärkten Humusabbau und eine erhöhte Freisetzung bedeutender Kohlenstoffmengen hervorrufen könnte.

Um bereits heute möglicherweise durch den Klimawandel verursachte Kohlenstoffveränderungen erkennen zu können, bietet das Rückstellprobenarchiv der Bodendauerbeobachtung von Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF), Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und Landesamt für Umwelt (LfU) eine einzigartige Möglichkeit. So können bereits jetzt durch die Analyse von Rückstellproben die Entwicklungen der letzten 30 Jahre abgebildet und ein möglicher Klimaeinfluss detektiert werden.

Neben der Betrachtung des Gesamtkohlenstoffs (Humusquantität) bietet die Bestimmung klimasensitiver Humusfraktionen, also die Humusqualität, einen sensibleren Einblick in das System Bodenkohlenstoff und Klimawandel. Qualität meint dabei einerseits, aus welchen Stoffen der Humus besteht und andererseits, wie stark diese im Boden stabilisiert sind, also wie alt (wenige Jahre bis zu mehreren Jahrhunderten) bestimmte Fraktionen sind. Die humusstabilisierenden und damit klimaschonenden Prozesse sind unter anderem abhängig vom Ausgangsgestein, der Bodenart und dem mikrobiellen Abbau. Dieser wiederum wird stark von klimatischen Bedingungen wie der Temperatur und der Bodenfeuchte beeinflusst.

Zur Bestimmung der klimasensitiven Humusfraktionen wurde folgende Kombination aus Dichte- und Korngrößentrennung angewandt:
20 bis 30 g auf < 2 mm gesiebter Boden werden mit 200 bis 300 mL Natriumpolywolframatlösung (NaPoWo) mit einer Dichte von 1,8 g cm3 versetzt. Nach circa 16 h wird das hierbei aufschwimmende Material (fPOM; roter Rahmen) vorsichtig abgesaugt, in einer Druckfiltrationsanlage gesammelt und mit VE-Wasser gereinigt. Danach werden die in der NaPoWo-Lösung verbliebenen Bodenaggregate mit einer Ultraschallenergie von 450 J mL-1 zerstört. Anschließend wird das jetzt aufschwimmende Material (oPOM) abgesaugt und gereinigt. Die gereinigte oPOM wird nun mittels Nasssiebung bei 20 µm in die beiden Fraktionen oPOM > 20 µm und oPOM < 20 µm (hellblau umrahmt) getrennt. Der zurückgebliebene Boden mit einer Dichte > 1,8 g cm3 wird ebenfalls mit VE-Wasser gereinigt und anschließend mittels Nasssiebung bei 20 µm in zwei Fraktionen unterteilt. Dadurch wird die mineralassoziierte Fraktion MOM < 20 µm abgetrennt, also organische Substanz, die an Ton-, Mittel- und Feinschluffpartikel gebunden ist, sowie eine Fraktion MOM > 20 µm, die Sand und Grobschluff beinhaltet (grün umrahmt).

Wesentliche Ziele dieses Projekts

  1. Überprüfung eines möglichen Einflusses von Lagerungsbedingungen (lufttrocken bei Raumtemperatur vs. feldfrisch gefroren bei -18°C) auf Kohlenstoffqualität und -quantität archivierter Bodenproben des LfU
  2. Ermittlung der Gesamtkohlenstoffveränderung in bayerischen Oberböden unter Acker, Grünland und Wald in den letzten 20 bis 30 Jahren
  3. Untersuchung der Humusqualität und ihrer potenziellen Änderungen mittels Dichte- und Korngrößenfraktionierung in Pools mit einer potentiell unterschiedlichen Klimasensitivität
  4. Ableitung spezifischer Handlungsempfehlungen für eine Optimierung des Bodendauer-beobachtungsprogramms sowie für einen Ausgleich potentieller Rückgänge der Humusvorräte

Zentrale Ergebnisse

Lagerungsvergleich

Lufttrocken bei Raumtemperatur versus feldfrisch und bei -18°C gefroren

  • Es gibt keine gravierenden Unterschiede der Gesamtkohlenstoffgehalte und der Fraktionen zwischen den beiden Lagerungsvarianten. Beide sind geeignet, Kohlenstoff auch nach 20 Jahren Lagerungsdauer ohne Verluste bestimmen zu können.
  • Es existieren minimale Unterschiede in beiden Korngrößenfraktionen der mineralassoziierten organischen Substanz (MOM) bei Böden, die zum Zeitpunkt der Probenahme tendenziell mehr Wasser enthalten, zum Beispiel Unterböden oder Böden mit hohem Tongehalt.
Erläuterungen in nachfolgender Textdatei. Abbildung 2: Korrelationsdiagramme des Gesamtkohlenstoffs beim Lagerungsvergleich

Gesamtkohlenstoff

Grünlandoberböden (bis 10 cm Bodentiefe; 1989 bis 2015)

  • Zwischen den Einflüssen der Klimavariablen, Standortbedingungen sowie Bewirtschaftungspraktiken besteht ein komplexes Zusammenspiel.
  • Die Kohlenstoffeinträge werden sowohl durch das Management (zum Beispiel organische Düngung) als auch durch das Klima (zum Beispiel Länge der Vegetationsperiode) gesteuert.
  • Die Klimabedingungen im Winter sind zusammen mit den Standorteigenschaften (zum Beispiel Hangneigung) entscheidend für die Richtung der Kohlenstoffänderungen.
Die komplexen Wechselwirkungen, die zu Zu-, oder Abnahmen führen bzw. keine Veränderung der OC-Vorräte bedingen, werden durch verschiedene kleine Bildchen (z.B. Blätter und Aststücke als Symbol für organischen Stoffeintrag oder Sensen für Schnitthäufigkeit) und Textkästen, die durch Pfeile verbunden sind, dargestellt. Abbildung 3: Schematischer Überblick der komplexen Wechselwirkungen zwischen Klimavariablen, Standortbedingungen und Bewirtschaftungspraktiken auf OC-Vorratsänderungen von Grünlandoberböden

Ackeroberböden (bis 15 cm Bodentiefe; 1986-2015)

  • Die meisten bayerischen Ackerböden weisen bisher keine Kohlenstoffverluste aufgrund des Klimawandels auf.
  • Ackerböden mit geringen Kohlenstoffgehalten zu Beginn der Untersuchung (initialer Kohlenstoffgehalt) zeigen leichte Zunahmen.
  • Auf Standorten mit einem hohen Hackfruchtanteil (Wurzel- und Knollenfrüchte) an der Fruchtfolge und an einigen Standorten mit saisonalen Klimaänderungen kam es zu Kohlenstoffverlusten.

Wald

  • Die Kohlenstoffvorräte der 10 untersuchten bayerischen Wald-BDF steigen vor allem wegen höherer Vorräte der organischen Auflage an.
  • Der Klimaeinfluss wird wahrscheinlich vom Einfluss der gleichzeitig hohen Stickstoffeinträge überlagert, die vermutlich zu einer erhöhten Biomasseproduktion führen.

Humusqualität

Grünlandoberböden (bis 10 cm Bodentiefe; 1989 bis 2015)

Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den Kohlenstoffänderungen des Gesamtbodens und der Änderungen in den einzelnen Fraktionen.

Ackeroberböden (bis 15 cm Bodentiefe; 1986 bis 2015)

Gesamtkohlenstoffzunahmen als auch -abnahmen lassen sich mit Änderungen in der mineralassoziierten organischen Substanz (MOM) < 20 µm erklären.

Wald (Auflage und Mineralboden bis 30 cm Bodentiefe; 1987 bis 2016)

Gesamtkohlenstoffzunahmen als auch -abnahmen korrelieren mit Änderungen in der freien partikulären (fPOM) und der kleinen (< 20 µm) okkludierten partikulären organischen Substanz (oPOM).

Okkludierte partikuläre (oPOM) und mineralassoziierte organische Substanz (MOM) könnten somit als vielversprechende Frühwarnindikatoren für Kohlenstoffänderungen unter Ackernutzung und im Wald dienen.

Handlungsempfehlungen

  • Anpassung der DIN 18512 zur Archivierung von Bodenproben hinsichtlich der Stabilität des Kohlenstoffs von 3 auf 20 Jahre sowohl für Lagerung lufttrocken und bei Raumtemperatur sowie feldfrisch und gefroren bei -18°
  • Erfassung von Trockenrohdichtedaten bei jeder Probenahme für Vorratsberechnungen
  • Wiederholungsbeprobung zur Detektion von Humusveränderungen für Böden unter Acker- und Grünland ca. alle 5 Jahre und für Böden unter Wald ca. alle 10 Jahre
  • Beprobung des gesamten Bodenprofils, nicht nur des Oberbodens
  • Erfassung historischer Landnutzung
  • Erfassung von detaillierten Managementinformationen, insbesondere Erträge und Düngemengen
  • Nachhaltige Fruchtfolgen auf Ackerböden
  • Angepasste organische Düngung auf Acker- und Grünlandböden

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