Biologische Gewässerqualität der Seen

Durch die Einführung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) im Jahr 2000 wurde zur Beurteilung des ökologischen Zustands bzw. Potenzials eines Gewässers ein neuer Bewertungsansatz vereinbart. Er bezieht alle für einen See relevanten Organismengruppen ein. Dafür wurden entsprechende biologische Bewertungsverfahren entwickelt, die in einer fünfstufigen Skala (sehr gut bis schlecht) Auskunft über den Zustand des Gewässers geben. Die schlechteste Komponente gibt dabei den Ausschlag (worst case). Für Seen werden Phytoplankton, Makrophyten und Phytobenthos als eine zusammengehörende Komponente, sowie Makrozoobenthos an den natürlichen Seen des Überblicksmessnetzes mit einbezogen. Im Folgenden wird auf die Entwicklung von Phytoplankton und Makrophyten/Phytobenthos an zwei exemplarisch ausgewählten Gewässern eingegangen. Weitere Informationen finden sich in den Bewirtschaftungsplänen zur Wasserrahmenrichtlinie.

Ökoregion Mittelgebirge

2022 wurde im Rahmen des Monitorings für die Europäische Wasserrahmenrichtlinie in der Ökoregion Mittelgebirge unter anderem der Untreusee biologisch untersucht. Neben dem Phytoplankton, das an der tiefsten Stelle des Sees entnommen wird, wurden auch die Makrophyten und benthischen Algen (Phytobenthos) im Uferbereich kartiert.

Die Algen im Untreusee bildeten ein Gesamtbiovolumen im Mittel von 2mm3 pro Liter und im April mit 5,2mm3 pro Liter ein Maximum. Eine frühere Probenahme war nicht möglich, da bei abgesenkten Seepegel durch Niedrigwasser der Bootsbetrieb behindert ist. Es wurden 62 Phytoplanktonarten im Untreusee bestimmt. Die kettenbildende Diatomee Aulacoseira subarctica bildete wie bereits in den Vorjahren eine ausgeprägte Frühjahrsblüte zusammen mit einigen solitären Centrales wie Cyclotella balatonis und Stephanodiscus alpinus, und Kolonie-bildenden Kieselalgen wie Fragilaria crotonensis und Asterionella formosa. Als besondere Algenarten sind hrysolykos planctonicus und Closterium acutum var. variabile hervorzuheben, die regelmäßig im See vorkommen. Neu wurde Chrysocapsella planctonica sowie Fragilaria tenera bestimmt. Wie schon in den Vorjahren nahmen im Spätsommer Cyanobakterien der Gruppe Chroococcales zu, wobei die Biomassen von Microcystis, Snowella und Woronichinia insgesamt sehr gering blieben. Der ökologische Zustand des Phytoplanktons im Untreusee wird als calciumreicher Mittelgebirgssee mit relativ großem Einzugsgebiet nach PP-Typ 5 als "mäßig" bewertet, was den Vorjahren entspricht.

Gestapelte Flächengrafik mit den Biovolumina der verschiedenen Algenklassen der in 2022 im Untreusee untersuchten Phytoplanktonproben. Auffällige Entwicklungen werden im Text beschrieben. Abbildung 1: Das Phytoplankton des Untreusees in einer gestapelten flächigen Darstellung, jede Algenklasse ist mit dem jeweiligen Biovolumen am Probenahmetag dargestellt (Centrales, Pennales, Chlorococcales, Chrysophyceae, Cryptophyceae, Desmidiales, Cyanobacteria, Dinophyceae, Haptophyceae, Sonstige: Namen der relevanten Algenklassen im Untreusee)

Für die Biokomponente Makrophyten und Phytobenthos bietet der Untreusee nur unzureichend geeignete Voraussetzung. Wenig adäquates Substrat und hohe Wassertrübung, bedingt durch hohe Nährstoffverfügbarkeit und dadurch geringe Lichteindringtiefen beeinträchtigen das Vorkommen der Wasserpflanzen. Unterhalb von etwas mehr als zwei Metern können die Pflanzen nicht mehr wachsen, an einigen der untersuchten Stellen ist gar kein Bewuchs zu erkennen. Auf dieser Grundlage kann das Gewässer mit den Wasserpflanzen nicht nach den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie bewertet werden.

Die auf dem Substrat aufwachsenden Kieselalgen (Diatomeen), weisen im Untreusee eine schwer bewertbare Gesellschaft auf. Viele Arten ohne spezielle Ansprüche an eine ökologische Nische, sogenannte tolerante Arten, verhindern Rückschlüsse auf die Ökologie des Gewässers. Eine Bewertung nach EG-WRRL ist auch mit dieser Organismengruppe nicht möglich. Diese großen Mengen unspezifischer Taxa weisen aber zum einen auf ungünstige Verhältnisse bezüglich stofflicher Verhältnisse hin, aber auch auf ungünstiges Substrat und häufige Störungen.

Ökoregion Alpen bzw. Alpenvorland

In den Ökoregionen Alpen bzw. Alpenvorland wurde im Jahr 2022 unter anderem der Obersee nach den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie untersucht. Auch hier stehen die Biokomponenten Phytoplankton sowie Makrophyten und Phytobenthos im Fokus. Auf diesen See wird im Folgenden etwas genauer eingegangen.

Das Gesamtbiovolumen der Algen lag im Obersee im Mittel bei 0,77mm3 pro Liter und dies entspricht etwa dem langjährigen Mittel. Anfang Mai 2022 wurde mit 1,7mm3 pro Liter das Jahresmaximum erfasst. Es wurden 51 Phytoplanktonarten im Jahr 2022 im Obersee bestimmt. Die pennate Diatomee Fragilaria tenera bildete gemeinsam mit anderen Fragilaria-Arten die Frühjahrsblüte zusammen mit einigen solitären Centrales wie Cyclotella comensis Grunow Morphotyp pseudocomensis. Im Sommer war nur sehr wenig Phytoplankton vorhanden. Phytoflagellaten wie Cryptomonas und Plagioselmis lacustris sowie die mixotrophe Dinophyceae Gyrodinium helveticum dominierten bis Anfang November. Als besondere Arten sind Chrysolykos planctonicus, Staurodesmus extensus, Dinobryon crenulatum und Bitrichia chodatii hervorzuheben. Discostella stelligeroides kommt regelmäßig in sehr geringen Abundanzen vor. Der ökologische Zustand des Phytoplanktons im Obersee wird als Alpensee nach PP-Typ 4 als "gut" bewertet, was den Vorjahren entspricht.

Gestapelte Flächengraphik mit den Biovolumina der verschiedenen Algenklassen der in 2022 im Obersee untersuchten Phytoplanktonproben. Auffällige Entwicklungen werden im Text beschrieben. Abbildung 2: Das Phytoplankton des Obersees in einer gestapelten flächigen Darstellung, jede Algenklasse ist mit dem jeweiligen Biovolumen am Probenahmetag dargestellt (Centrales, Pennales, Chlorococcales, Chrysophyceae, Cryptophyceae, Desmidiales, Cyanobacteria, Dinophyceae, Haptophyceae, Sonstige: Namen der relevanten Algenklassen im Obersee)

Die Biokomponente Makrophyten und Phytobenthos kann für den Obersee zurzeit nur für die Teilkomponente Makrophyten berechnet werden. Obwohl an der Hälfte aller untersuchten Stellen dieses sehr nährstoffarmen Sees wegen ungeeignetem Substrat (Steilwände, Fels) keine oder kaum Makrophyten wachsen können, kann mit dieser Teilkomponente für die anderen Transekte ein sehr guter bzw. guter Zustand angegeben werden. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der vergangenen Untersuchungen, in denen aber weniger oder andere Transekte bewertbar waren (Abbildung 4). Die Mindestbiomasse der Wasserpflanzen schwankt natürlicherweise von Jahr zu Jahr. In einem See mit solch schlechten Voraussetzungen für eine Besiedlung können schon geringfügig kleinere Bestände die Bewertung unmöglich machen.

Die Vegetation besteht zu 85% der Biomasse aus den gute oder sehr gute Gewässerqualität anzeigenden Armleuchteralgen (Characeen). Von den fünf im Obersee bis in 12m Tiefe vorkommenden Characeenarten sind zwei in der Roten Liste der Armleuchteralgen Bayerns aufgeführt. Chara strigosa ist als stark gefährdet eingestuft, Chara aspera befindet sich auf der Vorwarnliste.

Die Teilkomponente benthische Diatomeen ist für die Bewertung des Obersees im Regelfall besser geeignet, da die Algen auf jeglichem Hartsubstrat aufwachsen und gut beprobt werden können. In den vergangenen Jahren wurde mit dieser Teilkomponente meist der Zustand "gut" ermittelt. Seit einigen Jahren breitet sich jedoch im Obersee eine für dieses Gewässer neue Kieselalgenart aus, deren ökologischen Ansprüche noch unbekannt sind (Encyonema bonapartei). Sie ist mit Anteilen bis zu 32% an einer Probestelle vorhanden; eine Bewertung kann deswegen zur Zeit nicht vorgenommen werden. Zu dieser Art müssen erst genügend Informationen gesammelt werden, damit eine Bewertung mit Kieselalgen nach den Vorgaben der WRRL wieder möglich wird. Pro Probestelle kamen im Jahr 2022 bis zu 30% der Gesamthäufigkeit Arten vor, die in der Roten Liste als gefährdet aufgeführt sind oder auf der Vorwarnliste stehen.

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