Projekt "Mikroverunreinigungen in oberirdischen Gewässern: Ermittlung des Handlungsbedarfs bei kommunalen Kläranlagen" (Stoffflussmodell)

Kurzbeschreibung

Für das Projekt "Mikroverunreinigungen in oberirdischen Gewässern: Ermittlung des Handlungsbedarfs bei kommunalen Kläranlagen" (2009 bis 2011) wurde das georeferenzierte Simulationsmodell GREAT-ER für das gesamte bayerische Fließgewässernetz aufbereitet. Damit ist eine flächendeckende Abschätzung des Belastungszustands der Gewässer in Bayern für ausgewählte anthropogene Spurenstoffe sowie eine kartografische Darstellung der Ergebnisse möglich. Darüber hinaus können Maßnahmenszenarien für kommunale Kläranlagen simuliert werden, um Prognosen zur Wirksamkeit von Nachrüstungsmaßnahmen zu unterstützen.

In einem Folgeprojekt (2017 bis 2018) wurde die Datengrundlage für das vorhandene Stoffflussmodell aufbereitet und aktualisiert. Zudem wurde die Möglichkeit geschaffen, Simulationen auch unter Annahme des Medians der langjährigen Abflussreihe (Q50) durchzuführen, da dieser einen wichtigen Bezugswert für die Beurteilung der Gewässerqualität darstellt. Des Weiteren wurde eine Funktion installiert, mit der für jeden Gewässerabschnitt der prozentuale Anteil an kumuliertem Abwasser berechnet wird. Die Bearbeitung der Projekte erfolgte durch das Institut für Umweltsystemforschung der Universität Osnabrück.

Vorgehensweise bei der Modellierung

Bei der Modellierung wurden folgende Stoffe berücksichtigt:

  • 17alpha-Ethinylestradiol (synthetisches Estrogen)
  • 17beta-Estradiol (natürliches Estrogen)
  • Benzotriazol (Korrosionsschutz-/Frostschutzmittel)
  • Carbamazepin (Antiepileptikum)
  • Ciprofloxacin (Antibiotikum)
  • Clarithromycin (Antibiotikum)
  • Diclofenac (Analgetikum)
  • Erythromycin (Antibiotikum)
  • Gadolinium (Röntgenkontrastmittel)
  • Metoprolol (Betarezeptorenblocker)
  • Sulfamethoxazol (Antibiotikum).

Die Grundlage zur Simulation des bayerischen Fließgewässernetzes bildet das Digitale Landschaftsmodell 1:250.000 (DLM250). Das bayerische Gewässernetz wurde in die bayerischen Teileinzugsgebiete Donau, Main, Bodensee und Elbe aufgeteilt, die später unabhängig voneinander simuliert werden konnten. Die Einleitungsstellen der fast 2.500 bayerischen Kläranlagen wurden geografisch zugeordnet.

Der Frachteintrag für eine bestimmte Substanz durch eine Kläranlage wurde aus folgenden Parametern abgeschätzt:

  • angeschlossene Einwohner einer Kläranlage,
  • Verkaufs- und Verbrauchsmengen (Abschätzung des Pro-Kopf-Verbrauchs)
  • Abbauverhalten im Körper
  • Eliminationsverhalten in der Kläranlage

Auf der Basis der ermittelten Eintragsfrachten und der Flussgebietsdaten wurden für die ausgewählten Projektsubstanzen Modellsimulationen in allen bayerischen Einzugsgebieten durchgeführt. Dabei wurde der Median der langjährigen Abflussreihe (Q50) und ggf. eine Abbaurate im Gewässer zugrunde gelegt.

Zur Plausibilitätsprüfung wurde ein ausführlicher Vergleich der Simulationsergebnisse mit Messwerten durchgeführt. Der Vergleich zeigte, dass die simulierten Konzentrationen grundsätzlich plausibel sind und das Modell die Ergebnisse mit ausreichender Genauigkeit wiedergeben kann. Die Überprüfung der im Modell prognostizierten Belastungsschwerpunkte in einem Messprogramm (2012/2013) ergab ebenfalls eine gute Übereinstimmung zwischen modellierten Werten und Messwerten.

Wesentliche Ergebnisse

Die Ergebnisse der Modellierung können für die modellierten Arzneimittelkonzentrationen (PEC = Predicted Environmental Concentration) u. a. farblich codiert relativ zu vom LfU abgeleiteten Qualitätszielen QZ(LfU) (PNEC = Predicted No Effect Concentration) in Bayernkarten (Abb. 1 und 2) oder als Häufigkeitsverteilungen dargestellt werden.

Karte für das bayerische Fließgewässernetz, auf der die modellierten Stoffkonzentrationen für den Stoff Carbamazepin farblich codiert zu einem ökotoxikologisch abgeleiteten Qualitätsziel dargestellt werden. Für den Stoff Carbamazepin wird das Qualitätsziel in Höhe von 500 ng/l flächendeckend erheblich unterschritten. Abb. 2: Simulationsergebnisse für Carbamazepin relativ zum Qualitätsziel als Bayernkarte

Insgesamt lässt sich festhalten, dass in Fließgewässerabschnitten mit hohem Abwasseranteil für bestimmte Arzneimittelwirkstoffe umweltrelevante Konzentrationen im Gewässer prognostiziert werden. Folgerichtig zeigt sich, dass die Konzentrationen im Maineinzugsgebiet aufgrund der dort eher abflussschwachen Gewässer im Vergleich zu den anderen Einzugsgebieten höher sind. Ein Schwerpunkt ist insbesondere die Regnitz nach den Einleitungen des Ballungsraums Nürnberg. Im Donaugebiet weist die Isar flussabwärts von München höhere Konzentrationen auf.

Das Modell prognostiziert weiterhin für bestimmte Substanzen Überschreitungen ökotoxikologisch abgeleiteter PNEC (Predicted No Effect Concentration) -Werte, wie zum Beispiel den für Diclofenac in Höhe von 0,05 µg/l. Andere Substanzen wie zum Beispiel Carbamazepin unterschreiten die PNEC-Werte dagegen weitestgehend (vgl. Abb. 1 und 2).

Das Stoffflussmodell liefert eine realistische Einschätzung der Belastungssituation der bayerischen Oberflächengewässer mit den Referenzsubstanzen bei verschiedenen Abflussregimes (MQ, MNQ und Q50) und kann unterstützend bei der Ableitung des möglichen Handlungsbedarfs für kommunale Kläranlagen eingesetzt werden. Das Ergebnis des Stoffflussmodells wurde zum Beispiel auch bei der Auswahl der Kläranlage beim Pilotvorhaben "4. Reinigungsstufe auf der Kläranlage Weißenburg" berücksichtigt.

Teilen