Hintergrundinformationen zum KFÜ

Konzept des Kernreaktor-Fernüberwachungssystems (KFÜ)

Das KFÜ dient der behördlichen Aufsicht über kerntechnische Anlagen und insbesondere auch der Früherkennung von Unregelmäßigkeiten oder Störungen. Zu diesem Zweck werden ca. 350 Messparameter kontinuierlich erfasst und rund um die Uhr in das LfU übertragen, wo sie ständig automatisch und arbeitstäglich visuell überprüft werden. Bei Überschreiten einer sehr niedrig eingestellten Schwelle wird ein Alarm im LfU ausgelöst. Alarme werden 24 Stunden am Tag, unter anderem durch eine Bereitschaft, entgegengenommen. Die Ursache für den erhöhten Messwert wird ermittelt und falls notwendig werden Maßnahmen eingeleitet.

Überwacht werden im KFÜ in Bezug auf die Radioaktivität sowohl

  • Emissionen (Ableitungen aus einer Quelle, hier: die kerntechnische Anlage) durch Messung der Aktivitätskonzentration radioaktiver Stoffe in der Abluft und im Abwasser sowie durch Dosisleistungsmessungen in der Anlage als auch
  • Immissionen (Einwirkung von Ableitungen an einem Punkt entfernt von der Quelle) durch Messung der Dosisleistung in der Umgebung.

Zusätzlich werden einige Messwerte übertragen, die den Betriebszustand der kerntechnischen Anlage wiederspiegeln, z.B. der Neutronenfluss als Maß für die aktuelle Leistung des Reaktors. Auch meteorologische Daten werden kontinuierlich am Standort jeder kerntechnischen Anlage bestimmt und an das LfU übermittelt.

Ein wichtiges Grundprinzip im KFÜ ist die Redundanz als wesentlicher Beitrag zur Zuverlässigkeit des Systems. Daher werden nicht nur Messwerte von Messgeräten des Betreibers erfasst, sondern das LfU betreibt zusätzlich auch eigene Messgeräte. Neben der Messgeräte-Ausstattung sind auch die Einrichtungen zur Sammlung, Übertragung, Verarbeitung und Speicherung der im KFÜ erhobenen Daten jeweils doppelt ausgelegt.

Auf Basis der erhobenen radiologischen Emissionsdaten, Wetterdaten und Daten zum Betriebszustand können mit Hilfe eines Rechenprogramms die Ausbreitung radioaktiver Stoffe in der Luft und die Auswirkungen auf die Bevölkerung (z.B. die mögliche Dosisbelastung) in der Umgebung des Reaktors abgeschätzt werden. Die Ergebnisse der Abschätzung werden im Falle einer tatsächlichen Freisetzung radioaktiver Stoffe mit den Immissionsmessungen in der Umgebung der Anlage verglichen.

Aufbau des bayerischen Kernreaktor-Fernüberwachungssystems

Die Daten der innerhalb der kerntechnischen Anlage betriebenen Messgeräte zur Emissionsüberwachung und die Wetterdaten vom Standort der Anlage werden zum Messstationsrechner in der KFÜ-Subzentrale am Standort des Kernreaktors übertragen. Die Messwerte werden im Messstationsrechner gegebenenfalls zu Mittelwerten zusammengefasst, zwischengespeichert, mit Alarmschwellen verglichen und schließlich an die Messnetzzentrale im LfU in Augsburg gesendet. Die Messergebnisse der Immissionsmessstellen in der Umgebung der Anlage (Dosisleistungsmessungen) werden über Mobilfunkverbindungen direkt vom Messgerät an die Messnetzzentrale im LfU in Augsburg gesendet. In der Messnetzzentrale werden nochmals Alarmschwellen überprüft, die Messdaten gespeichert und für die Auswertungen an verschiedenen Arbeitsplatzrechnern zur Verfügung gestellt.

Emissionsmessungen im KFÜ

Ableitungen (Emissionen) radioaktiver Stoffe können mit der Abluft oder dem Abwasser erfolgen.

Bezüglich möglicher Ableitung über die Abluft sind verschiedene Gruppen von radioaktiven Stoffen bedeutsam. Diese werden in den Abluftkaminen der bayerischen Kernreaktoren vom Betreiber und größtenteils auch redundant vom LfU gemessen:

  1. Radioaktive Edelgase (z.B. Xe-133): Die radioaktiven Edelgase entstehen bei der Kernspaltung des Urans (Spaltprodukt). Zur Messung wird aus der gesamten Abluft des Kernreaktors ein repräsentativer Teilstrom entnommen und im Edelgasmonitor durch ein geeignetes Gefäß geleitet. In dieses Gefäß ist ein Plastik-Szintillations-Detektor eingebaut, der die Gesamtaktivität der durchgeleiteten Radioaktivität der Edelgase misst.
  2. Radioaktive Aerosole (z.B. Cäsium 137 oder Kobalt 60): Cs-137 entsteht bei der Kernspaltung des Urans (Spaltprodukt), Co-60 durch die Neutronenbestrahlung von Reaktor-Baumaterial (Aktivierungsprodukt). Radioaktive Aerosole sind Schwebeteilchen in der Luft, an die sich die Spalt- oder Aktivierungsprodukte angelagert haben. Zur Bestimmung der Gesamtaktivität der radioaktiven Aerosole in der Abluft wird in einem Aerosolmonitor ein repräsentativer Teilstrom der Abluft mittels einer Pumpe durch ein Filterband gesaugt, auf dem sich die Aerosole abscheiden. Die gesamte abgeschiedene Radioaktivität wird mit einem Plastik-Szintillations-Detektor gemessen.
  3. Radioaktives Iod (z.B. Iod 131): Radioaktives Iod entsteht bei der Kernspaltung des Urans (Spaltprodukt). Es wird mit einem Iodmonitor gemessen, der einen repräsentativen Teilstrom der Abluft mit einer Pumpe ansaugt, das Iod auf einem speziellen Absorbermaterial sammelt und kontinuierlich mit einem Natrium-Jodid-Detektor misst. Gemessen wird das Nuklid I-131, da es im Vergleich zu den anderen Iod-Nukliden relativ langlebig ist und messtechnisch gut erfasst werden kann.
  4. Zusätzlich wird im Abluftkamin der Kernreaktoren die Gamma-Dosisleistung als sogenannte Hochdosisleistung gemessen. Diese Messung ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn bei einer störfallbedingten Ableitung größerer Mengen radioaktiver Stoffe die Messbereiche der Edelgas-, Aerosol- oder Iodmonitore überschritten werden.

Zur Überwachung der Abgabe radioaktiver Stoffe mit dem Abwasser erhält das KFÜ Messsignale von Messgeräten der Betreiber.

Immissionsmessungen im KFÜ

Zur Überwachung der Einwirkung von Ableitungen führen sowohl der Betreiber der Anlage als auch das LfU Immissionsmessungen mit Dosisleistungsmessgeräten durch.

Der Betreiber liefert Messdaten von Gamma-Dosisleistungsmessgeräten und teilweise auch Neutronen-Dosisleistungsmessgeräten, die er auf dem Betriebsgelände, in Messstationen in der Umgebung der Kernreaktoren und bei den Standortzwischenlagern für abgebrannte Brennelemente betreibt.

Das LfU misst die Gamma-Dosisleistung im Umkreis jeder kerntechnischen Anlage mit 12 stationären Sonden. Die Gamma-Sonden sind ringförmig um den Reaktor aufgestellt und zwar für jeden Umgebungssektor (30°) eine Sonde. Der Abstand der Sonden vom Kraftwerk in diesen Sektoren beträgt ca. 2 bis 5 km, je nach örtlichen Gegebenheiten. Die Aufteilung der Kernreaktorumgebung in 12 Sektoren von jeweils 30° und deren Nummerierung ist in folgender Abbildung dargestellt.

In den Gamma-Sonden arbeiten 2 verschiedene Geiger-Müller-Zählrohrtypen, die einen sehr großen Messbereich abdecken. Die Stromversorgung wird durch ein Solarmodul und aufladbare Batterien sichergestellt.

Zusätzlich zu den 12 stationären Gamma-Sonden werden insgesamt 20 mobile Gamma-Sonden an den Standorten der kerntechnischen Anlagen und im LfU in Augsburg bereitgehalten. Diese können in einem Ereignisfall dort aufgestellt werden, wo auf Grund der Wetterbedingungen zusätzliche Messungen sinnvoll sind. Die mobilen Sonden sind durch ein kleines integriertes Solarmodul und aufladbare Batterien für einige Tage von einer externen Stromversorgung unabhängig. Die Daten werden wie bei den stationären Sonden über Mobilfunk in die Messnetzzentrale im LfU übertragen.

Mobile Gamma-Dosisleistungssonde Mobile Gamma-Dosisleistungssonde

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