FAQ: Bodenfunktionsbewertung
1) Warum müssen die Bodenfunktionen bewertet werden?
Böden erfüllen für den Menschen und im Naturhaushalt lebenswichtige Funktionen. Dazu gehören u.a. der Schutz des Trinkwassers, ihre Funktion als Wasserspeicher oder als Standort für die Lebensmittelproduktion. Außerdem sind Böden als größter terrestrischer Kohlenstoff-Speicher ein wichtiger Faktor im Klimageschehen.
Geschützt werden die Bodenfunktionen durch das Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG). Werden Bodenfunktionen beeinträchtigt und gehen damit eine Gefahr oder erhebliche Nachteile für die Allgemeinheit einher, spricht man von einer schädlichen Bodenveränderung (§ 2 Abs. 3).
Die natürlichen Bodenfunktionen sind in § 2 Abs. 1 BBodSchG definiert (s. Frage 4). Die Schutzwürdigkeit von Böden ergibt sich im Wesentlichen daraus, in welchem Maße sie die natürlichen Bodenfunktionen (z.B. als Wasser- oder Kohlenstoffspeicher) und/oder die Funktion als Standort für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung (§ 2 Abs. 3 c) erfüllen.
Bauleitplanungen und Zulassungsverfahren haben zum Ziel, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. Insbesondere bei der Aufstellung von Bauleitplänen sind die Belange des Umweltschutzes und damit auch die Auswirkungen auf das Schutzgut Boden (und damit die Bodenfunktionen) zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 6 Nr. 7a BauGB).
Für einen sparsamen und schonenden Umgang mit Böden (Bodenschutzklausel, § 1a Abs. 2 BauGB) sollen Planungen auf weniger wertvolle Böden gelenkt werden. Gleiches gilt für vorgelagerte Verfahren und Zulassungsverfahren.
2) Welchen Zweck und Nutzen hat die Bodenfunktionsbewertung für die Planung und Durchführung von Vorhaben?
Die Bodenfunktionsbewertung dient der sachgerechten Abwägung der Schutzgüter untereinander und erfüllt eine Lenkungsfunktion in der Planung bezüglich der Standortauswahl.
Besonders schützenswert sind zum Beispiel Böden mit einer wichtigen Funktion für den Hochwasserschutz oder den Landschaftswasserhaushalt, landwirtschaftliche Hochertragsböden und klimarelevante Böden mit hohem Kohlenstoff-Speichervermögen (v.a. Nieder-/Hochmoore, Anmoore).
Nutzen für die frühzeitige Planung:
- Empfindliche und wertvolle (z.B. humusreiche) Böden können gemieden werden.
- Potenziell problematische Standorte (z.B. bei Hinweisen auf geogen erhöhte Stoffgehalte > Entsorgungsproblem) werden frühzeitig identifiziert.
- Frühzeitiges, kostensparendes Bodenaushubmanagement.
Nutzen für die Ausführungsplanung:
- boden- und kostensparende Aufteilung der Gesamtfläche (z.B. Baustelleneinrichtungs- / Lagerflächen, Tabu-Flächen etc.),
- weniger Aufwand für die Wiederherstellung von Bodenfunktionen,
- ggf. notwendige Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zur Wiederherstellung von Bodenfunktionen können zeitnah, bestenfalls direkt auf der Vorhabensfläche, geplant werden. > siehe Frage 13.
Bei naturschutzfachlichen Maßnahmen: Sicherung des Maßnahmenerfolgs durch:
- Frühzeitige Beurteilung der Standorteignung für das geplante Zielbiotop,
- Zielgerichtete Planung und Ausführung unter Berücksichtigung der Besonderheiten am Standort (z.B. Erosionsgefahr bei Hanglagen, CO2 Freisetzung bei organischen Böden),
- Vermeiden von Kosten (z.B. für die Verwertung vermeidbaren Bodenaushubs).
3) Bei welchen Verfahren ist eine Bodenfunktionsbewertung durchzuführen?
Die Betrachtung des Bodens und seiner natürlichen Funktionsfähigkeit sind bei allen Eingriffen in den Boden sowohl in der Planung als auch in der Ausführung zu berücksichtigen.
Eine vollständige Bodenfunktionsbewertung (Bodenteilfunktionen und Gesamtbewertung) hat zu erfolgen bei:
- gemeindlichen Planungen (vorbereitende und verbindliche Bauleitplanung),
- vorgelagerten Verfahren (Linienbestimmung und Fachpläne),
- Zulassungsverfahren (Planfeststellung, Genehmigung, Zulassung) sowie
- bei der Erfordernis eines Umweltberichts nach UVPG zu erfolgen.
Eine zumindest überschlägige Bewertung der Böden ist notwendig bei:
- überörtlichen Planungen auf der Landes- und Regionalebene (LROP, LEP bzw. RROP, REP),
- Fachplanungen wie Landschaftsrahmenplänen und Ausweisung von Schutzgebieten sowie
- Vorprüfung des Einzelfalls gem. § 7 Abs. 1 bzw. 2 UVPG und
- vereinfachten Verfahren nach §§ 13a oder 13b (auslaufend) BauGB.
Empfohlen bei:
- der Ermittlung des Kompensationsbedarfs im Rahmen der Eingriffsregelung. Bei hochfunktionalen Böden kann der Eingriff in den Boden nicht über das Schutzgut Arten- und Lebensräume ausgeglichen werden. Es bedarf eines bodenbezogenen Ausgleichs des Eingriffs (z.B. Maßnahmen nach Anlage 4.2 BayKompV).
- Bei naturschutzfachlichen Maßnahmen, die mit einem Eingriff in das Schutzgut Boden (z.B. Bodenabtrag oder -auftrag) verbunden sind (Berücksichtigung der Bodenschutz-Belange z.B. nach § 6 BBodSchV).
4) Welches sind die natürlichen Bodenfunktionen nach § 2 BBodSchG?
Nach §2 Abs.2 Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) erfüllt der Boden natürliche Funktionen als:
a) Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen,
b) Bestandteil des Naturhaushalts, insbesondere mit seinen Wasser- und Nährstoffkreisläufen,
c) Abbau-, Ausgleichs- und Aufbaumedium für stoffliche Einwirkungen auf Grund der Filter-, Puffer- und Stoffumwandlungseigenschaften, insbesondere auch zum Schutz des Grundwassers.
Zusätzlich ist die natürliche Ertragsfähigkeit land- und forstwirtschaftlicher Böden zu berücksichtigen (Nutzungsfunktionen als Standort für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung (§ 2 Abs. 2 Nr. 3c)).
5) Welche Boden(teil)funktionen sind zu bewerten?
Für die Bewertung der Bodenfunktionen nach BBodSchG werden mindestens folgende Bodenteilfunktionen betrachtet.
- Standortpotenzial für die natürliche Vegetation,
- Wasserrückhaltevermögen bei Niederschlagsereignissen (Retentionsvermögen),
- Rückhaltevermögen des Bodens für anorganische Schadstoffe (Rückhaltevermögen für Schwermetalle 1);
Hinweis: Bewertung anhand der relevanten Schwermetalle (i.d.R. Cd (wg. hoher Mobilität)) oder bei Hinweisen auf spezifische Belastungen Bewertung des Zielelements (z.B. Zn, Ni), - Natürliche Ertragsfähigkeit,
- Klimaschutzfunktion (Kohlenstoff-Speicherpotenzial, Freisetzungspotenzial für THG-Emissionen),
- Archiv der Natur- und Kulturgeschichte (§ 2 Abs. 2 Nr. 2)
1 Bezeichnung der Bodenteilfunktion in "Das Schutzgut Boden in der Planung" (LfU 2003)
6) Welche Boden(teil)funktionen sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen?
- Kühlfunktion von Böden (insbesondere im urbanen Raum),
- Standortpotenzial für Bodenlebewesen,
- Rückhaltevermögen für organische Schadstoffe.
Hinweis: Bewertung anhand der relevanten Schadstoffe (z.B. PFOA (wg. hoher Mobilität und geringer Abbau-/Verflüchtigungsrate) oder bei Hinweisen auf spezifische Belastungen Bewertung des jeweiligen Schadstoffes (z.B. Benzo(a)pyren, DDT), - Säurepuffervermögen unter Forst (Puffervermögen des Bodens für versauernd wirkende Einträge),
- Verweilzeit wasserlöslicher Stoffe (Rückhaltevermögen für wasserlösliche Stoffe 1), z.B. Nitrat, Chlorid.
1 Bezeichnung der Bodenteilfunktion in "Das Schutzgut Boden in der Planung" (LfU 2003)
7) Wie bewertet man die Bodenfunktionen?
Die Bewertung von Bodenfunktionen erfolgt i.d.R. über die Bewertung von Bodenteilfunktionen. Für einige dieser Bodenteilfunktionen gilt die Bewertung nach der in Bayern eingeführten LfU-Arbeitshilfe "Das Schutzgut Boden in der Planung" (LfU 2003).
Ergänzend zu „Das Schutzgut in der Planung“ wird für die Archivfunktion der LABO-Leitfaden Archivböden (Archivböden Empfehlungen zur Bewertung und zum Schutz von Böden mit besonderer Funktion als Archiv der Natur- und Kulturgeschichte (LABO Vorhaben B 1.09, 2011)) empfohlen.
Die Gesamtbewertung erfolgt gemäß einer Matrix in der Arbeitshilfe.
Hinweis: Die Bewertungsmethoden beziehen sich auf den obersten Bodenmeter. Signifikant mächtigere Deckschichten tragen in aller Regel zu einer höheren Funktionsfähigkeit bei. Dies muss ggf. gutachterlich berücksichtigt werden.
Bodenteilfunktionen, für die in der Arbeitshilfe noch keine Bewertungsgrundlagen genannt sind, sind in der Gesamtbewertung dennoch gutachterlich zu bewerten; dies gilt insbesondere für die Klimaschutzfunktion von Böden. > siehe Frage 8).
8) Wie können Bodenfunktionen bewertet werden, für die es keine standardisierte Vorgehensweise gibt?
Relevante Boden(teil)funktionen ohne standardisierte Bewertungsmethode sind ggf. verbal-argumentativ zu bewerten. Die Einstufung der Wertigkeit erfolgt in Anlehnung an die Klassifizierung nach Schutzgut Boden in der Planung (Stufen 1 bis 5) durch den Gutachter.
Bei der Bewertung sind die maßgeblichen Einflussfaktoren der jeweiligen Bodenteilfunktion zu berücksichtigen.
Klimaschutzfunktion (Kohlenstoff-Speicher)
Böden übernehmen aufgrund ihres Kohlenstoffspeichervermögens eine wichtige Rolle für den Klimaschutz. Sie sind ein zentraler Bestandteil im globalen Kohlenstoffkreislauf und der größte terrestrische Speicher für organischen Kohlenstoff (Senkenfunktion).
Humusreiche Mineralböden, Böden mit organischer Auflage und insbesondere organische Böden (i.W. Moorböden) sind dabei besonders schutzwürdig. Dies gilt umso mehr, weil auch das Freisetzungspotenzial von klimarelevanten Gasen (z.B. CO , Methan, Lachgas) in diesen Böden besonders hoch ist.
Einflussfaktoren für die Bodenteilfunktion als Kohlenstoff-Speicher:
- Gehalt an organischer Substanz im Boden,
- Mächtigkeit von Bodenschichten mit hohem Organik-/Humusgehalt.
Kühlwirkung von Böden (Klimafolgenbewältigung)
Nicht versiegelte und begrünte Böden haben eine relevante Kühlwirkung für ihre Umgebung. In urbanen Räumen tragen sie damit wesentlich zum Erhalt der Lebensqualität bei. Auch im außerstädtischen Bereich sorgen funktionsfähige Böden für eine kühleres Landschafts- und Regionalklima.
Einflussfaktoren für die Kühlwirkung von Böden:
- Wasserspeicherkapazität, Wassersättigung, Grundwasserflurabstand,
- pflanzenverfügbares Bodenwasser,
- Bodenart,
- Bewuchs,
- Versiegelungsgrad.
Funktion als Standort für Bodenlebewesen
Einflussfaktoren:
- Form der Landnutzung (Acker, Grünland, Wald),
- Art der Bewirtschaftung (z.B. konventionell / ökologisch, Art der Bodenbearbeitung),
- Regenwurmpopulation,
- Gefügestruktur, effektiver Wurzelraum,
- Humusgehalt, Bodenfeuchte, pH-Wert,
- oberirdische Pflanzenvielfalt.
- Publikation BVB-Materialien
- Regenwürmer
- Regenwürmer in bayerischen Ackerböden: Ihre Vielfalt und Leistungen nutzen
Teilfunktion Säurepuffervermögen von Böden (außerhalb von Forststandorten)
Einflussfaktoren:
- Bewirtschaftungsweise,
- Ausgangsgestein.
9) Welche Bodenkarten stehen in Bayern zur Verfügung?
Bodenkundliche Karten im UmweltAtlas (bayern.de):
- Übersichtsbodenkarte 1:25.000 (ÜBK 25),
- Übersichtsmoorbodenkarte 1:25.000 (MBK 25),
- Bodenübersichtskarte von Bayern 1:200.000 (BÜK 200),
- Bodenausgangsgesteinskarte 1:500.000 (BAG 500).
Historische bodenkundliche Karten:
- Standortkundliche Bodenkarte 1:50.000 München-Augsburg,
- Standortkundliche Bodenkarte 1:25.000 Hallertau,
- Bodenschätzungsübersichtskarte 1:25.000.
Sonstige:
- Standortkundliche Landschaftsgliederung 1:1.000.000,
- lithogeochemischer Atlas,
- verschiedene geologische Karten.
10) Welche Bodenfunktionskarten liegen für Bayern derzeit vor?
Bodenfunktionskarten (Maßstab 1:25.000) im UmweltAtlas (bayern.de) 1
- Rückhaltevermögen für anorganische Schadstoffe,
- Rückhaltevermögen für organische Stoffe,
- Natürliche Ertragsfähigkeit (Acker, Grünland),
- Standortpotential für natürliche Vegetation (wird derzeit überarbeitet),
- Wasserrückhaltevermögen bei Niederschlagsereignissen,
- Verweildauer für wasserlösliche Stoffe,
- Säurepuffervermögen KAKeff (Forst),
- Säurepuffervermögen KAKpot (Forst).
Bei Bedarf können Karten und Daten über die Datenstelle des LfU:
1 Die Bewertungen treffen für den obersten Meter Boden zu. Signifikant mächtigere Deckschichten tragen in aller Regel zu einer höheren Funktionsfähigkeit bei und müssen berücksichtigt werden.
11) Gibt es Informationen zu Bodenkennwerten?
Flächenhafte Bodenkennwerte sind in den Bodenfunktionskarten (s. Frage 10) sowie in der Standortauskunft "Bodenkundliche Basisdaten" im Umweltatlas Bayern einsehbar (UmweltAtlas (bayern.de)).
12) Was bedeutet die Standortauskunft "Bodenkundliche Basisdaten" im Umweltatlas und wofür kann sie verwendet werden?
Die Standortauskunft "Bodenkundliche Basisdaten" gibt einen ersten Überblick über die bodenkundlichen Bedingungen am Standort. Die Daten wurden aus Übersichtskarten berechnet und ersetzen im Einzelfall nicht die Detailuntersuchung und Bewertung durch ein Fachbüro.
Anmerkung: Im Ausnahmefall kann auf eine detaillierte Bodenfunktionsbewertung verzichtet werden, wenn die überschlägige Prüfung durch die Bodenfunktionskarten und/oder die Standortauskunft "Bodenkundliche Basisdaten" bereits eine sehr hohe Bewertung mindestens einer Bodenfunktion ergibt, die in den Folge-Planungen berücksichtigt werden muss (.z.B. bodenfunktionale Kompensation).
13) Wie kann bei Kompensationsmaßnahmen ein bodenfunktionaler Ausgleich gelingen?
Der Verlust von Bodenfunktionen kann durch verschiedene Maßnahmen ausgeglichen werden, z.B.:
- Entsiegelung und Wiederherstellung eines funktionsfähigen Bodenaufbaus,
- Wiederherstellung einer durchwurzelbaren Bodenschicht,
- Wiedervernässung von Moorstandorten,
- Umstellung auf moorerhaltende Bewirtschaftung,
- Extensivierungsmaßnahmen,
- Erosionsschutzmaßnahmen,
- Humusaufbau / Erhöhung des Gehalts an organischer Substanz.
Methodische Hinweise gibt zum Beispiel die gemeinsame Arbeitshilfe zur Ermittlung des Kompensationsbedarfs für das Schutzgut Boden der BL Hessen und Rheinland-Pfalz.