Winter 2022/2023

Wie im Winter 2021/2022 prägt wieder sehr dynamisches Wetter mit kurzen Abfolgen aus intensivem Schneefall mit stürmischem Wind sowie Wärmeeinbrüchen und Regen bis in die Hochlagen hinein den Schneedeckenaufbau. Die automatischen Messstationen des Bayerischen Lawinenwarndienstes registrieren in allen Höhenlagen des Bayerischen Alpenraums unterdurchschnittliche Schneedeckenmächtigkeiten. In sämtlichen Wintermonaten apert der Boden bis 1.600m immer wieder aus. Große, talgefährdende Lawinenereignisse werden den gesamten Winter über nicht registriert. Im nicht von Lawinenkommissionen und Verkehrssicherungspflichtigen überwachten alpinen Gelände werden der Lawinenwarnzentrale 8 Lawinenunfälle mit Personenbeteiligung bekannt, die mit sehr viel Glück ohne Todesfolge bleiben. Eine Häufung skitouristischer Lawinenunfälle ist Anfang Februar festzustellen, als es etwa einen halben Meter Neuschneezuwachs mit umfangreichen Schneeverfrachtungen gab. Die Wintersportmöglichkeiten im nicht überwachten und gesicherten Alpingelände sind mangels Schnee in tieferen Lagen und der damit verbundenen Gefahr von Bodenkontakt und langen Tragepassagen den ganzen Winter über als unbefriedigend zu bezeichnen. Mit knapp zwei Millionen Zugriffen auf die Internetseite des Bayerischen Lawinenwarndienstes wird ein langjähriges Minimum eingefahren, vielleicht auch ein Indikator für die eingeschränkten Wintersportmöglichkeiten.

Lawinengefahr im Winter 2022/2023

Der Winter 2022/23 beschert den mittleren Lagen bereits Mitte September den ersten Neuschnee. Mit Schwerpunkt im Westen der bayerischen Alpen lagert sich in höheren Lagen eine fast 50cm hohe Schneedecke ab. Als sich Mitte Oktober ein intensiver Föhneinbruch mit Saharastaub ereignet, apert der Boden wieder bis in die Hochlagen hinein aus. Am 21. November veröffentlicht die Lawinenwarnzentrale eine erste Kurzmitteilung zur Lawinenlage im Internet: Bis in mittlere Lagen hatte sich seit Mitte November durch das Frontensystem eines Tiefs über den Britischen Inseln eine fast 20 bis 40cm mächtige Schneedecke aufgebaut, in die durch starken Wind störanfällige Zwischenschichten eingelagert sind.

Ab diesem Zeitpunkt kann auch von der dauerhaften Schneedecke des Winters 2022/23 oberhalb 1.600m im bayerischen Alpenraum gesprochen werden. Am 10. Dezember beginnt die Lawinenwarnzentrale mit dem Erstellen des täglichen Lawinenlageberichts, Grund ist der Start der Lawinenlageberichtssaison bei den benachbarten Lawinenwarndiensten. Im bayerischen Alpenraum sind die Schneedeckenmächtigkeiten aber unterdurchschnittlich, vereiste Harschoberflächen der Schneedecke sind Mittelpunkt der Warnung bei insgesamt geringer Lawinengefahr. Mitte Dezember durchfeuchtet im Rahmen einer ausgeprägten Südwestströmung sehr milde Luft den wenigen Schnee bis zum Boden, kurz vor Weihnachten regnet es bis in höhere Lagen bei kräftigem Wind. In mittleren Lagen rutscht der durchfeuchtete Altschnee in Form maximal mittelgroßer Gleit- und Nassschneelawinen ab, in den Hochlagen findet frischer Triebschnee nur schlecht Bindung mit der glatten, verharschten Altschneeoberfläche. Am Jahreswechsel herrscht stürmisches Wetter vor, es ist für die Jahreszeit zu mild. Auch im Januar fällt wenig Schnee und unterhalb 1.400m sind viele Hänge ausgeapert.

Anfang Februar stellt sich eine kurze Nordstaulage ein und schürt Hoffnung auf etwas Schnee. Im Osten der bayerischen Alpen fallen dann bis zu 50cm Neuschnee und werden umfangreich verfrachtet. Der Lawinenlagebericht spricht am 04. Februar über der Waldgrenze von großer Lawinengefahr und allgemein kritischen Verhältnissen. In diesen Tagen ereignen sich mehrere Lawinenunfälle mit Personenbeteiligung. Ab Mitte Februar etablieren sich zunehmend Frühjahrsverhältnisse mit einem tageszeitlichen Anstieg der Gefahr kleinerer Nassschneelawinen. In den Hochlagen stellen sich Plusgrade ein. Ab 23. Februar kann die Lawinenwarnzentrale die Lawinengefahr mit gering bewerten, was für den Hochwinter durchaus ungewöhnlich ist. Die geringmächtige Schneedecke ist bis zum Boden durchfeuchtet, unterhalb 1.600m ist sonnseitig der Boden ausgeapert. Mit einer mehrere Tage anhaltenden Nordströmung erhält der bayerische Alpenraum mit Schwerpunkt im Westen wieder bis zu 60cm Neuschnee, der von starkem Wind begleitet wird. Neu- und Triebschnee sind die Hauptprobleme in diesen Tagen, am 27. Februar spricht der Lawinenlagebericht von erheblicher Lawinengefahr oberhalb 1.500m. Unterhalb 1.500m ist die Lawinengefahr weiterhin gering. Es gibt für diesen Zeitabschnitt keine Dokumentationen von größeren Lawinenereignissen.

Der Monat März ist von wechselhaftem, niederschlagsarmen Wetter geprägt und geht in seiner zweiten Hälfte zunehmend in frühlingshafte Schneedeckenbedingungen über. Wie so oft in dem Winter, sind die Böden bis 1.500m ausgeapert. Ende des Monats März fallen während einer kurzen Nordstauwetterlage nochmals bis zu 50 cm Neuschnee, der von starkem Westwind beeinflusst wird. Der Lawinenlagebericht weist den Lagen über 1.500m wegen des Neuschnee- und Triebschneeproblems eine erhebliche Lawinengefahr zu. Die letzten Märztage sind beispielhaft für das turbulente, dynamische Wetter, das sich in Zukunft zunehmend im bayerischen Alpenraum einstellen wird. Die zwei Tage andauernde Niederschlagsphase, in der es bis in die Tallagen schneit, wird sofort von feuchter Warmluft abgelöst. Es regnet bis in die Hochlagen in den frischen, lockeren Neuschnee, der sich schnell setzt und abschmilzt. Das zweitägige Neu- und Triebschneeproblem wird unmittelbar vom Nassschneeproblem abgelöst, das in mittleren Lagen eine erhebliche Lawinengefahr wegen mittelgroßer Nassschneelawinen hervorruft. Da insgesamt unterdurchschnittliche Schneemächtigkeiten anzutreffen sind, werden auch keine großen Lawinenabgänge dokumentiert.

Der Monat April wird von Westwetterlagen beherrscht. In schneller Folge ziehen Niederschlagsfronten über den bayerischen Alpenraum hinweg und bewirken bis Monatsmitte einen Anstieg der Schneedeckenmächtigkeiten in höheren Lagen. Erstmalig im Winter 2022/23 werden die langjährigen Mittelwerte der Schneedeckenmächtigkeiten an den Messstationen des bayerischen Lawinenwarndienstes überschritten. In dieser Phase dominiert oberhalb 1.500m das Nass- und Gleitschneeproblem in den Lawinenlageberichten. Nasse, gesetzte und kompakte Schneedecken lassen aber keinen Raum für größere Lawinenabgänge. In tieferen Lagen fehlt weiterhin eine geschlossene Schneedecke. Ein nasser, milder Witterungsverlauf Ende April bewirkt dann einen raschen Rückgang der Schneedecke in allen Höhenlagen. Am 01. Mai beendet die Lawinenwarnzentrale die tägliche Erstellung von Lawinenlageberichten mit dem Hinweis, auf Wanderwegen im schneefreien Gelände immer ein Auge auf die Gefahr von am Boden abgleitenden Schneedeckenresten von oberhalb zu haben.

Bayerischer Lawinenwarndienst im Winter 2022/2023

In den tieferen Lagen der bayerischen Alpen konnten während des gesamten Winters 2022/23 keine talgefährdenden Lawinenereignisse beobachtet werden. Wegen der meist geringmächtigen Schneedecken in tiefen und mittleren Lagen stellte sich die Beurteilung der Lawinenlage für die Lawinenkommissionen mit Zuständigkeiten an Straßen und Wanderwegen insgesamt als unproblematisch dar. Die Sicherung der Skiabfahrten und Rodelbahnen im Bereich von Bergbahnen war für die dortigen Lawinenkommissionen Routine. Trotzdem ist hervorzuheben, dass die Notwendigkeit einer schnellen Bereitschaft für die Beurteilung der Lawinengefahr durch die Lawinenkommissionen den gesamten Winter über aufrechtzuerhalten ist.

Wir danken den ehrenamtlichen Lawinenkommissionsmitgliedern und Beobachtern im Bayerischen Lawinenwarndienst für ihre Einsatzbereitschaft, die einen unersetzbaren Beitrag leisten, um die Bevölkerung vor Lawinenunglücken zu schützen.

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