Naturschutzrelevante Gutachten in Bayern

Willy Zahlheimer
2016

Zwischenbilanz des Artenhilfsprogramms für hochbedrohte Farn- und Blütenpflanzen Niederbayerns. - Auswertung, Bewertung und Änderungsvorschläge

Unveröffentlichtes Gutachten im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU), 152 S., Augsburg.
Landkreise: Niederbayern,Landshut Stadt,Passau Stadt,Straubing Stadt,Deggendorf,Freyung-Grafenau,Kelheim,Landshut,Passau,Regen,Rottal-Inn,Straubing-Bogen,Dingolfing-Landau
Artengruppe:
Gefäßpflanzen
Landkreis(e):
Niederbayern,Landshut Stadt,Passau Stadt,Straubing Stadt,Deggendorf,Freyung-Grafenau,Kelheim,Landshut,Passau,Regen,Rottal-Inn,Straubing-Bogen,Dingolfing-Landau
Auftraggeber:
Bayerisches Landesamt für Umwelt

Zusammenfassung

1998 übernahm die Regierung von Niederbayern vom Landesamt für Umweltschutz (LfU) die Aufgabe des Monitorings und der Betreuung einzelner Vorkommen hochbedrohter Farn- und Blütenpflanzenarten im Regierungsbezirk weitgehend und baute sie nach Erarbeitung einer Roten Liste der Flora Niederbayerns 2002 zu einem umfassenderen Hilfsprogramm für Farn- und Blütenpflanzen aus. Gegenstand waren von da ab neben den aus bayerischer Sicht hochbedrohten Arten die in Niederbayern besonders gefährdeten – insgesamt rund 200. Bei einem Teil der Arten mit auffälligem Gefährdungsgefälle innerhalb Niederbayerns wurden nur besonders kritische Restpopulationen ins Artenhilfsprogramm (AHP) übernommen. Nach nun großenteils 1,5 Jahrzehnten Niederbayern-AHP schien es an der Zeit, einen zusammenfassenden Überblick der Artenhilfsmaßnahmen zu erstellen, sie zu bewerten und Hinweise für die künftige Arbeit abzuleiten. Dabei war aus Kapazitätsgründen die Beschränkung auf die vom Aussterben bedrohten (45) oder stark gefährdeten (106) Arten der Roten Liste Bayern mit rezenten Vorkommen in Niederbayern notwendig, insgesamt also auf 151 Taxa. Die Regierung (SG 55.1, Fachfragen des Naturschutzes) gab jährlich vor, welche Arten wo zu dokumentieren und betreuen, zu beernten oder säen sind und wo die Nachzucht eingeleitet oder ausgebracht werden soll. Stets gehörten zu den Arbeiten das Monitoring, kleine Pflegemaßnahmen, die Initiierung und gegebenenfalls Organisation größerer Pflegeeingriffe und die Zusammenarbeit mit Landschaftspflegeverbänden und Naturschutzbehörden. Die Ausführung in Form einzelner teils landkreisbezogener, teils bestimmte Arten betreffender Pakete (zuletzt waren es acht) übernahmen hochqualifizierte Fachbüros und Experten. Die Auftragnehmer müssen gegen Jahresende jeweils einen Bericht über die Monitoring-Ergebnisse und die durchgeführten Maßnahmen abliefern. Die Berichte bilden die Grundlage für diese Abhandlung. In ihrem Zentrum steht eine reich illustrierte artenweise Kurzdarstellung der Problemlage, der durchgeführten Maßnahmen, des Erfolgs sowie von Anregungen zur Modifizierung von Artenhilfsmaßnahmen und Dokumentation. Davor werden die fachlichen Grundgedanken des regionalen Pflanzenartenschutzes skizziert, besonders auch die räumlichen Grenzen von Ansiedlungsversuchen („Gemeindefreiheit“, Ursprungsgebiete). Die Bilanz des engagierten Einsatzes kann sich sehen lassen. Von 136 Arten, bei denen der Beobachtungszeitraum ausreichend lang für eine Beurteilung erschien, wurden 18 nur in Teilen Niederbayerns betreut und sind insofern nicht repräsentativ. Bei den verbleibenden 118 Arten (39 vom Aussterben bedrohte und 79 stark gefährdete der Roten Liste Bayern) haben die Betreuer hervorragendes geleistet, indem sie es bei 75 oder 62 % der Arten schafften, dass die Populationen wuchsen oder zumindest nicht schrumpften. 4 (3 %) der betrachteten Arten verlor Niederbayern trotz des Artenhilfsprogramms. Es sind aber keine darunter, die überregional einen erheblichen Verlust bedeuten. Die Berichte belegen nicht nur eindrucksvoll, dass sich die Konstruktion des niederbayerischen Artenhilfsprogramms bewährt hat. Es zeigt sich besonders auch, dass es richtig war, schon vergleichsweise früh Samenmanagement, künstliche Vermehrung und Wiederansiedlung zu einem Thema zu machen. Die Unterstützung durch die Stadtgärtnerei Straubing, den Botanischen Garten der Universität Regensburg und weitere Gartenbetreiber hat dabei sehr geholfen. Ohne Ausbreitungs- und Etablierungshilfen wäre Niederbayern in den letzten zwei Jahrzehnten um mindestens ein Dutzend Arten ärmer geworden und der Anteil der mit geringem Erfolg betreuten wäre drastisch höher. Ein wichtiger Aspekt bei der Bewertung des Erreichten ist das Messen am ersten Etappenziel: Jede hochbedrohte Art soll in Niederbayern mindestens in einem Fundbereich den angenommenen zukunftsträchtigen (Minimal-)Bestand erreichen. Es ist dies die artspezifische Pflanzenmenge, von der der Verfasser annimmt, dass sie eine gute Basis fürs Überleben abgibt. Im Gegensatz zur MVP (minimum viable population size) sind diese Annahmen eine wissenschaftlich nicht fundierte und genetische Aspekte ausblendende Notlösung. Von allen gelisteten 151 Arten erfüllen nach den jeweils letzten Berichten nur 64 (42 %) dieses Kriterium, nämlich 13 (28 %) der vom Aussterben bedrohten und 51 (48 %) der stark gefährdeten. Das bedeutet umgekehrt, dass bei der Hälfte der Arten das AHP dieses vorrangige Ziel verfehlt hat! Viele Arten sind darunter, die permanent nachgesät oder -gepflanzt werden müssen, weil die Biotoppflege den differenzierten Ansprüchen nicht genügt und keine intensive „Pinzettenpflege“ erfolgt, die in der Etablierungsphase konkurrenzarmen Raum gewährleistet und Verjüngungshabitate schafft. Was inzwischen über die Jahre hinweg nicht nachhaltig an Nachzucht ausgebracht wurde, geht in die Tausende von Töpfchen. Wo die Bilanz nicht befriedigt, ist zusammen mit zu undifferenzierter Lebensraum-Pflege der Hauptgrund die bescheidene materielle Ausstattung des Artenhilfsprogramms, die es oft nicht zuließ, aufwändigere Hilfsmaßnahmen zu tätigen. Es gab Jahre mit stark reduziertem Notprogramm und in der vollen Bandbreite des eigentlich Erforderlichen konnten die Artenhilfsmaßnahmen noch nie betrieben werden. Das ist auch deshalb sehr bedauernswert, als Artenhilfsmaßnahmen das wirksamste Instrument gegen wuchernde Rote Listen sind und sich bei vielen Arten aus der Analyse von Umsetzung und Ergebnis die dringende Empfehlung zu zusätzlichen oder intensiveren Maßnahmen ergab. Um voll wirksam zu werden, braucht das „Artenhilfsprogramm Pflanzen“ eine erheblich bessere und mit der weiterhin zunehmenden Bedrängnis unserer Pflanzenwelt wachsende Finanzausstattung. Bei der Zusammenführung und Aufbereitung der Monitoring-Ergebnisse war die große Heterogenität der Dokumentationen erschwerend; teilweise war es nicht möglich, die Populationsentwicklung vernünftig darzustellen. Zum Auftrag des Verfassers gehörte denn auch, Vorschläge für eine Vereinheitlichung zu machen. Für die laufende artenweise Dokumentation in Excel-Tabellen ist dies geschehen. Der bewährte Aufbau aus den Tabellenblättern Wuchsorte, Bestand & Maßnahmen sowie gegebenenfalls Art-Charakterisierung wurde beibehalten. Die Pflanzenmenge (als einfachster Ausdruck für die absolute Populationsgröße) soll künftig nach artspezifischen Vorgaben erfasst und dokumentiert werden. Hierfür werden bei der Behandlung der einzelnen Arten jeweils bestimmte „Pflanzenmengen-Einheiten“ vorgeschlagen. Zuletzt werden Gedanken zur Fortführung des niederbayerischen Pflanzen-AHPs geäußert und ein paar übergeordnete Gesichtspunkte des botanischen Artenschutzes angerissen.

Erstellt am: 29.06.2018

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