Natur, Wasser: Nr. 32 / Donnerstag, 24. Juli 2025
Ein Bollwerk für den Schutz des Steinkrebses
+++ „Das ist im Moment die einzige, effektive Möglichkeit, den Steinkrebs vor dem Aussterben zu bewahren.“ sagt Christoph Graf, Experte für Flusskrebsschutz am Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU), als er das fertig gestellte Konstrukt in einem kleinen Bach in Niederbayern betrachtet. Sein Blick ruht auf einer sogenannten Krebssperre – ein zusätzlicher Aufbau an einem Querbauwerk, welcher die Wanderung und damit weitere Ausbreitung von invasiven Flusskrebsen unterbinden soll. Die Krebssperre im Landkreis Freyung-Grafenau wird fortan heimische Steinkrebse (Austropotamobius torrentium) vor dem Eindringen des invasiven Signalkrebses (Pacifastacus leniusculus) schützen. Weitere Krebssperren sollen in den kommenden Monaten und Jahren in ganz Bayern folgen und damit den Erhalt der einheimischen Flusskrebse sichern. +++
In einem kleinen Bach im Landkreis Freyung-Grafenau ist im Moment ein für die einheimischen Flusskrebse folgenschwerer Prozess im Gange, wie er bereits seit längerem und nun vielerorts zu beobachten ist. Sofern nicht in den letzten Jahrzehnten ohnehin schon geschehen, werden die Gewässer hierzulande zunehmend von aus Nordamerika stammenden invasiven Flusskrebsarten, wie etwa dem Signalkrebs, besiedelt. Dies führt dazu, dass die beiden einheimischen Flusskrebsarten Edelkrebs (Astacus astacus) und Steinkrebs bereits aus vielen ihrer ursprünglichen Lebensräume verdrängt wurden. Denn die vor mehr als 100 Jahren vom Menschen eingeschleppte Konkurrenz aus Nordamerika ist vielfach nicht nur vermehrungsfreudiger und aggressiver als die einheimischen Arten, sie überträgt auch eine für Edel- und Steinkrebs tödliche Erkrankung, die sog. Krebspest. Diese Erkrankung kann Bestände einheimischer Arten binnen weniger Wochen vollständig auslöschen. Sind invasive Flusskrebse einmal in ein Gewässersystem eingedrungen, können sie mit den derzeit zur Verfügung stehenden Mitteln kaum mehr beseitigt werden. Der Lebensraum ist für die einheimischen Flusskrebse dann für immer verloren. Dies trifft insbesondere auf Fließgewässer zu.
Um diesen Prozess einzudämmen und die verbliebenen Bestände und Lebensräume von Edel- und Steinkrebs zu schützen, werden im Rahmen des am LfU laufenden Projektes „Entwicklung, Optimierung und Standardisierung von Artenhilfsprogrammen zum Fisch- und Krebsartenschutz“ Krebssperren errichtet. Das sind Bauwerke, die so ausgestaltet sind, dass sie eine Wanderbarriere für Flusskrebse darstellen. Vorwiegend werden Krebssperren umgesetzt, indem bereits in Gewässern bestehende Querbaubauwerke wie Sohlabstürze oder Verrohrungen geringfügig modifiziert werden. Wichtig dabei ist, eine Krebssperre so auszugestalten, dass sie von Flusskrebsen weder kletternd noch schwimmend überwunden werden kann. Zumeist werden Querbauwerke daher mit glatten Materialien wie etwa Edelstahlblechen umkleidet. Ohne solch eine Umkleidung stellen viele Querbauwerke für Flusskrebse nämlich kein Wanderhindernis dar. Zurzeit ist die Eindämmung der Ausbreitung von invasiven Flusskrebsen mit Hilfe von Krebssperren das einzig erfolgversprechende Mittel, um die einheimischen Arten vor dem Aussterben zu retten und deren natürliche Lebensräume zu bewahren.
Da für die Umsetzung von Krebssperren vorwiegend bereits bestehende Querbauwerke genutzt werden, wird die Durchgängigkeit von Gewässern für andere Organismen nicht weiter verschlechtert. Krebssperren werden fast ausschließlich in Kleinstgewässern und Oberläufen errichtet. Dort ist die Fischfauna meist sehr artenarm und aufgrund des oft hohen Gefälles ohnehin mit natürlichen Abstürzen und Wanderhindernissen konfrontiert. Fischarten, mit denen sich der Steinkrebs den Lebensraum teilt, wie Bachforellen (Salmo trutta f. fario) oder Koppen (Cottus gobio) sind keine Langstreckenwanderer und daher nicht zwangsläufig auf über lange Strecken vernetzte Lebensräume angewiesen. Ein Zielkonflikt beim Artenschutz besteht daher nur selten. Zudem können die invasiven Flusskrebsarten auch andere Lebewesen, wie etwa die genannten Fischarten, aber auch Amphibien, Wasserinsekten oder Muscheln gefährden, weil sie in mitunter in hohen Dichten und sehr aggressiv auftreten. Somit können auch andere Organismen von der Errichtung von Krebssperren profitieren. Auch können Krebssperren bei Bedarf ohne großen Aufwand und in der Regel komplett rückstandslos entfernt werden. Eine genaue Betrachtung und Einzelfallabwägung, ob und wo Krebssperren tatsächlich errichtet werden, muss im Vorfeld von Experten durchgeführt werden.
Im Fall des betroffenen Baches in Freyung-Grafenau breitet sich der nordamerikanische Signalkrebs immer weiter flussauf aus und droht in den dort verbliebenen Steinkrebsbestand einzudringen. Der Steinkrebs würde damit kurz- bis mittelfristig und irgendwann unwiederbringlich aus diesem Gewässersystem verschwinden.
In enger fachlicher Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen LfU, der höheren Naturschutzbehörde der Regierung von Niederbayern, der unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Freyung-Grafenau, dem Wasserwirtschaftsamt Deggendorf, der Fachberatung für Fischerei des Bezirkes Niederbayern und der örtlichen Gemeinde wurde nun eine Krebssperre errichtet, die die weitere Ausbreitung des Signalkrebses verhindern und damit den Erhalt des Steinkrebsbestandes sicherstellen soll. Die Gelder dafür wurden aus einem Förderprogramm für Naturschutzmaßnahmen von der Regierung von Niederbayern zur Verfügung gestellt.
Binnen weniger Stunden wurde mit einer örtlich ansässigen Spenglerei unter fachlicher Begleitung von Christoph Graf, Mitarbeiter am Referat „Fischökologie“ des LfU, die Krebssperre errichtet. Die Umsetzung erfolgte an einem bereits bestehenden Querbauwerk. Alle vormals rauen und kletterbaren Teile wurden mit glatten Blechen umkleidet, sodass das Bauwerk nunmehr für Flusskrebse unpassierbar ist. Die weitere Ausbreitung des Signalkrebses soll damit effektiv gestoppt werden.
Mit der ersten in Niederbayern errichteten Krebssperre ist ein Grundstein für den Schutz der in Bayern einheimischen Flusskrebse gelegt worden. Das LfU möchte sich an dieser Stelle nochmals bei allen Beteiligten bedanken, die gemeinsam vorbildlich und konstruktiv zusammengearbeitet haben, und freut sich auf die nächsten Erfolge beim Flusskrebsschutz.
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