Natur: Nr. 29 / Donnerstag, 03. Juli 2025

+++ Gemeinsam mit dem Biodiversitätsbeauftragten der Regierung von Unterfranken und dem Bayerischen Artenschutzzentrum schafft der städtische Forst in Lohr am Main auf zehn Flächen Refugien für mehr Artenvielfalt. +++
Ein Plattbauch-Pärchen saust über einen kleinen Tümpel. Die hübschen Insekten mit dem charakteristisch flachen Körper sind zwar nicht selten, aber ein Anzeichen dafür, dass auf der Fläche Karl-Neuff-Platz im Stadtwald von Lohr am Main Libellen Einzug halten, die gerne an kleinen, stehenden und unbeschatteten Gewässern leben. Vorher war hier nur ein kleiner Sumpfbereich, nun ist das Angebot für wasserliebende Insekten vielfältiger. Vielfältigen Lebensraum schaffen ist Ziel des Projektes „Blüten und Strukturen auf Waldwiesen im Stadtwald Lohr am Main“ im Spessart. Denn strukturreiche Lichtungen und Waldränder bieten als Übergangsbereiche zwischen Wald und Wiese mit ihren vielen Nischen zahlreichen Pflanzen- und Insektenarten einen Lebensraum.
Christian Salomon zeigt auf eine weitere Libellenart, die frühe Adonisjungfer, die rötlich schimmernd auf Wasserpflanzen ruht. Als Biodiversitätsbeauftragter der Regierung von Unterfranken trägt er mit seinem Wissen und Engagement dazu bei, die Waldwiesen aufzuwerten. Michael Neuner, Leiter der Forstverwaltung Lohr am Main, war mit dem Ziel, noch mehr Biodiversität im Stadtwald zu schaffen, auf die Regierung zugegangen. Lohr am Main ist mit 4100 Hektar Forst der drittgrößte kommunale Waldbesitzer Bayerns. Als Dritter im Bunde weist das Team des Bayerischen Artenschutzzentrums im Landesamt für Umwelt (BayAZ) mit speziellen Fallen nach, wie viele und welche Insekten die neuen Lebensräume nutzen. Aus diesen Erkenntnissen soll ein Leitfaden zur Aufwertung von Freiflächen im Wald entstehen.
Die Biodiversität und den Waldnaturschutz hatte der städtische Forst schon zuvor im Auge, unter anderem wird Totholz im Wald belassen und auch sogenannte Habitat- oder Biotopbäume erhalten. „Wir setzen auf naturgemäßen Waldbau, integrativen Waldnaturschutz und haben fünf Prozent unserer Waldfläche dauerhaft aus der Nutzung genommen, um sie einer natürlichen Entwicklung zu überlassen“, erzählt der Stadtförster. „Mit diesem Gemeinschaftsprojekt wollen wir Waldnaturschutz und Offenlandnaturschutz zusammenbringen. Und man sieht schon an den Flächen, dass sich was tut, ich bin gespannt auf die Zahlen.“
Lichtungen werden bei diesem Projekt nicht neu geschaffen, sondern aufgewertet. Beispielsweise alte Hutungsflächen, in denen in früheren Jahrhunderten Vieh weidete, wie der Name „Schweinswiese“ bezeugt. Sie wurden entbuscht und beschattende Nadelbäume entfernt, um mehr Licht zu schaffen. Ausbuchtungen am Waldrand lichten den Übergang zur offenen Fläche auf. Zusätzlich sorgen Totholzhaufen, Steinhaufen und Tümpel für vielfältige Strukturen. Bei einem Ortstermin begutachten die Beteiligten auf fünf der zehn Flächen des Projekts, was dort kreucht und fleucht oder auf den Wiesen wächst.
Ohne die vielen Arbeitsstunden der städtischen Forstverwaltung wäre nicht nur die Umgestaltung der Lichtungen, sondern auch das Insektenmonitoring kaum zu leisten. Gerade ist ein Forstarbeiter unterwegs und sammelt die Probenbehälter der sogenannten Malaisefallen ein. Insektenexperte Thorben Riehe (BayAZ) blickt auf Schmetterlinge, Schwebfliegen und Schlupfwespen im Behälter. „Ich bin erstaunt, dass eine solche Menge an Insekten in der Falle zu finden ist, obwohl vor zwei Wochen geleert wurde.“ Mittels DNA-Analyse wird das Insektenmaterial ausgewertet und der Erfolg der durchgeführten Maßnahmen bewertet.
Ein Hirschkäfer an einem Teich und ein Kopfhornschröter zeigen, dass sich in diesen lichten Waldstrukturen mit Totholzangebot auch Rote-Liste-Arten wohlfühlen. Ein Kupferfarbener Uferläufer flitzt an einem Tümpel entlang und auch einige Schmetterlinge tanzen durch die Luft: Ein Dickkopffalter, ein Ampfer-Grünwidderchen und ein Schmalflügel-Weißling. Christian Salomon zeigt auf Kaulquappen von Erdkröte und Grasfröschen in einem Teich und entdeckt Nachwuchs eines Feuersalamanders: Auch Amphibien fühlen sich in dem neu geschaffenen Lebensraum wohl.
Eine vielfältige einheimische Pflanzenwelt ist schon für sich wertvoll und bedeutet außerdem mehr Angebot für Insekten, die oft auf spezielle Nahrungspflanzen angewiesen sind. Auch hier wurde nachgeholfen und geerntete Samen von nahen artenreichen Wiesen ausgebracht. Ein Aufwand, der sich lohnt, wie auf den Flächen zu erkennen ist: Wo vorher wenige Gräser dominierten, wachsen jetzt je nach Standort unterschiedliche Blumen: Rundblättrige Glockenblume, Blutwurz, Mausohr-Habichtskraut, Sumpf-Vergissmeinnicht, Sumpf-Labkraut, Margeriten und Salbei-Gamander, um nur einige zu nennen. An manchen Wiesenrändern leuchten rosa die imposanten Blüten des Fingerhuts.
So schön die artenreichen Wiesen sind, sie müssen auch regelmäßig gepflegt werden, sonst entsteht zwangsläufig wieder Wald: Auf einer Fläche grasen Coburger Füchse, eine alte Schafrasse der Mittelgebirge, und Rinder werden auf weitere Flächen getrieben. Sie sorgen mit ihrem Dung, Trittstellen und unregelmäßigem Abgrasen für noch mehr Vielfalt und Kleinstlebensräume für Insekten. Der Rest der Lichtungen wird ein- bis zweimal jährlich unter Aussparung kleiner Teilflächen gemäht, damit der Charakter der Waldwiese erhalten bleibt.
Mehr zum Projekt: https://www.lfu.bayern.de/natur/bayaz/praxisnahe_modellprojekte/insekten_bluehflaechen/index.htm
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