FAQ: Spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP)
Die nachfolgenden Antworten zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP) in Bayern wurden in Zusammenarbeit mit dem StMUV erstellt.
Relevanzprüfung und Bestandsaufnahme
Im Rahmen der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP) ist zu klären, ob und in welchem Umfang die artenschutzrechtlichen Verbote nach § 44 Abs. 1 BNatSchG erfüllt sind, wobei bei zulässigen Eingriffen sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Abs. 2 S. 1 BNatSchG, die nach den Vorschriften des BauGB zulässig sind, die Modifikation des § 44 Abs. 5 BNatSchG zu beachten ist.
Im Unterschied zum FFH-Recht besteht keine gesetzlich geregelte, formelle Verträglichkeitsprüfung.
Zu beachten sind die Vorgaben der LfU-Arbeitshilfe zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung:
Spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP)
Bei der Entscheidung, ob und in welchem Umfang eine saP durchgeführt wird, ist nach der Rechtsprechung das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten. Ist nach dem "Maßstab der praktischen Vernunft" davon auszugehen, dass ein Vorhaben keine artenschutzrechtlichen Auswirkungen hat (so z. B. oftmals bei Einzelbauvorhaben) ist eine saP entbehrlich. Die pauschale Durchführung einer saP oder die pauschale Anforderung von entsprechenden Untersuchungen (z. B. für bestimmte Fallgruppen) ohne Prüfung der Erforderlichkeit im Einzelfall ist unzulässig.
Zunächst ist dabei unter vernünftigen Erwägungen abzuschätzen, ob das Vorhaben überhaupt konkret geeignet ist, Verbotstatbestände des § 44 BNatSchG zu erfüllen. Gibt es keine substantiierten Hinweise auf das Vorkommen beurteilungsrelevanter Arten bzw. kann bei überschlägiger Abschätzung davon ausgegangen werden, dass keine Verbotstatbestände erfüllt sind, ist von einer saP abzusehen. In diesem Fall sollte, soweit keine Äußerung im ggf. vorhandenen Genehmigungsbescheid erfolgt, ein entsprechender Aktenvermerk erstellt werden.
(Beispiel: "Nach Einschätzung der Behörde ist davon auszugehen, dass durch das Vorhaben keine europäischen Vogelarten oder/und Arten nach Anhang IV der FFH-RL im Sinne des § 44 Abs. 1, Abs. 5 S.2 BNatSchG betroffen sind. Eine weitergehende Sachverhaltsermittlung zur Prüfung der Verbotstatbestände ist daher nicht erforderlich.") In Betracht gezogen werden kann dabei unter Umständen auch eine Anpassung des Vorhabens oder der Vorhabenausführung. Eine kurze Begründung des Aktenvermerks sollte insbesondere erkennen lassen, ob insbesondere keine Arten vorkommen oder ob die Vermeidungsmaßnahmen als ausreichend angesehen werden.
- Konkrete Beurteilungsgrundlage für die saP sind die entsprechenden Angaben des Vorhabenträgers bzw. ein Artenschutzbeitrag, den bei größeren Vorhaben (z. B. Bau von Fernstraßen oder Errichtung von Windparks) i. d. R. ein Planungsbüro im Auftrag des Vorhabenträgers erarbeitet.
- Die abschließende Prüfung, inwieweit die artenschutzrechtlichen Verbote betroffen sind, ist Aufgabe der Genehmigungsbehörde bzw. der Naturschutzbehörden, soweit keine Genehmigung erforderlich ist.
- Der Maßstab hinsichtlich der Betroffenheit eines Verbots ist die zuverlässige Prognose, dass ein Verbotstatbestand erfüllt ist. Nicht erforderlich ist ein Ausschluss jeglichen Risikos.
- Die Vorlage entsprechender Unterlagen kann, soweit keine besonderen Regelungen zu notwendigen Verfahrensunterlagen nach dem Planfeststellungs- oder Immissionsschutzrecht bestehen, ggf. auf § 17 Abs. 4 BNatSchG gestützt werden, da die Eingriffsbeurteilung auch die Artenschutzbelange umfasst (vgl. § 17 Abs. 4 Satz 4 BNatSchG).
Bestandsbewertung und Prüfung der Verbotstatbestände
Die Bewertung der Auswirkungen erfolgt einzeln für jede saP-Art anhand der Verbotstatbestände. Arten mit gleichen Lebensraumansprüchen sowie vergleichbarer Empfindlichkeit und Betroffenheit können zu ökologischen Gilden zusammengefasst werden.
Es wird auf BT-Drs. 18/11939, S. 17 hingewiesen. Danach schränkt die Vorschrift des § 44 Abs. 5 S. 2 BNatSchG den Tatbestand des § 44 Absatz 1 Nummer 1 in Übereinstimmung mit der sich namentlich auf betriebs-, aber auch bau- und anlagenbezogene Risiken (z. B. bei Tierkollisionen im Straßenverkehr oder mit Windkraftanlagen, Baufeldfreimachung) beziehenden Rechtsprechung (BVerwGE 134, 166, Rn. 42; BVerwG, Urt. v. 13.05.2009, 9 A 73/07, Rn. 86; BVerwG, Urt. v. 08.01.2014, 9 A 4/13, Rn. 99) dahingehend ein, dass der unvermeidbare Verlust einzelner Exemplare durch ein Vorhaben nicht automatisch und immer einen Verstoß gegen das Tötungsverbot darstellt. Vielmehr setzt ein Verstoß voraus, dass durch das Vorhaben das Tötungsrisiko für Individuen der betroffenen Art signifikant erhöht wird. Diese Einschränkung trägt dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung. Von Unvermeidbarkeit kann ausgegangen werden, wenn die gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen sachgerecht angewandt werden.
In der Praxis der Planung und Zulassung von Projekten und Eingriffen ist eine Konkretisierung des Signifikanzansatzes erforderlich. Die Bewertung, ob die Individuen der betroffenen Arten durch das Vorhaben einem signifikant erhöhten Tötungs- und Verletzungsrisiko ausgesetzt sind, erfordert eine Berücksichtigung verschiedener projekt- und artbezogener Kriterien sowie weiterer naturschutzfachlicher Parameter.
Im Jahr 2014 hat das BVerwG mit Urteil v. 8.1.2014, Az. 9 A 4.13 den Beurteilungsmaßstab des signifikant erhöhten Tötungsrisikos auf bauliche Maßnahmen (hier Baufeldfreimachung) erweitert, d. h. auf das Tötungsrisiko in Verbindung mit der Zerstörung oder Beschädigung von Fortpflanzungs-oder Ruhestätten ausgedehnt: "Wird das baubedingte Tötungsrisiko durch Vermeidungsmaßnahmen bereits bis zur Schwelle des allgemeinen Lebensrisikos, dem die Individuen der jeweiligen Art ohnehin unterliegen, gesenkt, kann nach dem Maßstab praktischer Vernunft keine weitergehende artenschutzrechtliche Verantwortlichkeit bestehen" (Rdnr. 99 des Urteils). Insbesondere Schutzmaßnahmen sind bei der Beurteilung zu berücksichtigen. Näher: UMS v.11.12.2014, 62g-U8645.4-2014/1-3 (Lauris).
Nach § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BNatSchG, liegt kein Verstoß gegen die in § 44 Absatz 1 Nummer 1 BNatSchG verbotenen Handlungen des Nachstellens, des Fangens oder der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen vor, soweit sie im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme zum Schutz der Tiere bzw. ihrer Entwicklungsformen und zur Erhaltung der Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätte im räumlichen Zusammenhang entsprechend den fachlichen Standards und Sorgfaltspflichten durch qualifiziertes Personal erfolgen und die Beeinträchtigungen auch im Übrigen unvermeidbar sind.