Artenschutz Kryptogamen

Pilze, Moose und Flechten werden als Kryptogame bezeichnet. Kryptogamen – "Pflanzen, die im Verborgenen heiraten", so die Übersetzung aus dem Griechischen – bilden aus taxonomischer Sicht keine geschlossene systematische Einheit. Der Begriff "Kryptogamen" wird in der Biologie zwar uneinheitlich verwendet, umfasst jedoch in der zentralen Bedeutung immer Arten, deren sexuelle Vermehrung ohne Blüte (also unauffällig) stattfindet. Carl von Linné stellte sie bereits im Jahre 1735 als 24. Klasse in sein "Systema Naturae". Dort werden alle sich mit Sporen vermehrenden, blütenlosen Pflanzen und Pilze den samenausbildenden Spermatophyten (Samenpflanzen) gegenübergestellt.

Neben den Pilzen, Flechten und Moosen zählt man auch die Algen und die Farne zu den Kryptogamen.

Pilze

Für die meisten Menschen sind Pilze fremdartige Lebewesen. Sie haben mit ihrer fast unüberschaubar großen Arten- und Formenfülle in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzende Funktionen im Naturhaushalt. Sie sind als Mykorrhizapartner für viele Pflanzen, zum Beispiel Bäume, lebenswichtig. Im Stoffkreislauf terrestrischer Ökosysteme kommt ihnen als Destruenten eine entscheidende Bedeutung zu, zum Beispiel beim Abbau von Totholz und Streu.

Maisbrandpilz Neben den Großpilzen gibt es noch unzählige "Kleinpilze". Allgemein bekannt sind zum Beispiel Kulturpflanzen schädigenden Arten wie der Maisbrandpilz; Foto: Peter Karasch

Viele, sogenannte Großpilzarten sind bekannte und beliebte Nahrungsmittel. Nachdem Pilze wegen ihrer sesshaften Lebensweise lange dem Reich der Pflanzen zugeordnet wurden, gelten sie heute aufgrund ihrer physiologischen und genetischen Eigenschaften als eigenes Reich und enger mit Tieren als Pflanzen verwandt. Von den Pflanzen unterscheiden sich die Pilze vor allem durch das Fehlen der auf Chlorophyll basierenden Photosynthese und die dadurch bedingte heterotrophe Lebensweise, was bedeutet, dass sie zum Aufbau ihrer Körperbausteine bereits vorhandene organische Verbindungen verwenden.

Doch das was gemeinhin als "Pilz" bezeichnet wird, ist nur ein Entwicklungsstadium: es sind die Fruchtkörper, die nur während eines kurzen Zeitraums erscheinen, die längste Zeit des Jahres leben höhere Pilze ausschließlich als weitverzweigtes Hyphengeflecht unsichtbar im jeweiligen Substrat.

Moose

Moose erscheinen dem Laien im Vergleich zu den häufig auffälligeren Pilzen und Flechten, als eher eintönige Gruppe kleiner, grüner Pflanzen. Häufig ist erst mit eine Lupe oder einem Mikroskop die Formenvielfalt richtig zu erkennen. Moose sind grüne Landpflanzen, die beinahe jeden terrestrischen Lebensraum besiedeln können.

Torfmoos in einem Moor Torfmoos in einem Moor. Die grünen Blätter mit den wimpernförmigen Fortsätzen am Blatt gehören zum Mittleren Sonnentau (Drosera intermedia), einer fleischfressenden Pflanze; Foto: Andreas Zehm

Die kleinen sporenbildenden Gewächse sind nicht nur in Wäldern oder in den bei uns mit am meisten gefährdeten Lebensraumtypen, den Mooren zu finden, die ohne die den Bestand bildenden Torfmoose nicht existieren könnten, sondern auch in vom Menschen stark beeinflussten Lebensräumen zu finden. So wächst der Sparrige Runzelbruder (Rhytidiadelphus squarrosus) in unseren Gartenrasen, das Gemeine Kissenmoos (Grimmia pulvinata) siedelt auf älteren Betonmauern und das Schlafmoos (Hypnum cupressiforme) verziert unsere Obstbaum-Astgabeln mit einem grünen Teppich.

Auch die Biologie der Moose bietet zahlreiche interessante Forschungsansätze. So können sie beispielsweise – vergleichbar den Flechten – als Zeigerorganismen bei der Beurteilung der Luftqualität dienen.

Flechten

Flechten sind Pilze, die in einer stabilen, ernährungsphysiologisch unabhängigen Vergesellschaftung eines Pilzes (Mykobiont) mit einer Alge und/oder einer Cyanobakterie (Fotobiont) leben. Der Name kommt vom "Geflecht", aus dem die Pilze aufgebaut sind. Ihre Pilzfäden (Hyphen) sind verflochten im Inneren des Lagers und bilden dort kleine Kammern, in denen die Fotobionten ein mehr oder weniger gleichberechtigtes Dasein führen können.
Flechten sind wahre Überlebenskünstler. Sie gedeihen auch noch in den heißesten Wüstengebieten oder in der Kälte der Polarregionen und auf den höchsten Bergen. In unseren Breiten besiedeln Flechten in unterschiedlicher Ausprägung und Färbung ganz verschiedenartige Standorte: zum Beispiel Bäume, Mauern, Häuserwände, den Waldboden oder Pflastersteine. Sie sind daher in fast allen Lebensräumen in Bayern zu finden.

Flechten Flechten sind empfindlichen Bioindikatoren (Ausfall von Flechtenbewuchs unter einer Bleiabdeckung eines Schornsteins); Foto: Oliver Dürhammer

Flechten stellen hoch spezialisierte Organismen dar, die durch ihre komplizierte Biologie sehr empfindlich auf Umweltveränderungen reagieren. Dies liegt daran, dass das Zusammenleben zwischen Pilz und Alge leicht gestört werden kann. Die in Luft und Regen enthaltenen Nähr- und Schadstoffe werden nahezu ungefiltert aufgenommen, da Flechten keine speziellen Organe zur Wasseraufnahme aus dem Boden besitzen und über den gesamten Thallus Feuchtigkeit aufnehmen. Daher reagieren sie besonders empfindlich auf Luftverschmutzung. Daher kann das Fehlen oder Vorkommen von Flechtenarten dazu benutzt werden, um Hinweise zum Verschmutzungsgrad der Luft zu erhalten. Flechten können sozusagen als lebende Messgeräte, als Bioindikatoren, eingesetzt werden.

In Bayern schätzen wir die Zahl der Flechten auf 1.800 Arten.

Das Projekt "BayFlora Kryptogamen"

Schwerpunkt des durch das Bayer. Landesamt für Umwelt betreute Projekt "BayFlora Kryptogamen" war die Verfügbarmachung der vorliegenden Kryptogamendaten auf allgemein zugänglichen Internetseiten. Darüber hinaus sollten die zerstreuten Grundlagendaten der Moose, Pilze und Flechten in Bayern zusammengeführt und der Kontakt zu den ehrenamtlichen Kartierern gepflegt und intensiviert werden.

Das Projekt wurde in 2 Phasen von 2003 bis 2012 mit herausragendem Engagement und großem, in Fachkreisen allseits anerkanntem Erfolg durchgeführt. So ist es u.a. gelungen, die Kräfte der bayerischen ehrenamtlichen Moos-, Flechten- und Pilzkundler zu bündeln und ein neues Betreuungssystem aufzubauen.

Aber auch die Datenergebnisse können sich sehen lassen: So können in Kürze ca. 500.000 Datensätze der Kryptogamenkartierung Bayerns in die Artendatenbank integriert werden, die LfU- Codepläne zu Flechten, Pilzen und Moosen wurden überarbeitet und auf neuesten Stand gebracht und damit Daten und Codepläne für die praktische Naturschutzarbeit nutzbar gemacht.

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