Biodiversität und Moorschutz

Die Regionalstelle Karlshuld arbeitet an der Weiterentwicklung des Moorschutzes in Bayern und bietet fachliche Beratung und Unterstützung im Rahmen ihres Projektes "Biodiversität und Moorschutz" an. Sie fungiert dabei als Kompetenzzentrum zur Klärung grundsätzlicher Fragestellungen im bayerischen Moorschutz mit Schwerpunkt Niedermoorschutz. Das Projekt basiert auf drei Bausteinen.

Baustein I: Biodiversität und Hydrologie

Intakte, naturnahe Moore beheimaten durch ihre immense Strukturvielfalt zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Die Liste reicht von wiesenbrütenden Vogelarten, seltenen Amphibien und Schmetterlingen bis hin zu gefährdeten Pflanzenarten.

Die Prachtnelke besitzt auffällig geschlitzte violett-weiße Blüten mit langen weißen Staubblättern. Artenreiche Niedermoorwiesen bieten Lebensraum für zahlreiche hoch spezialisierte und oft gefährdete Tier- und Pflanzenarten, wie die Prachtnelke (Dianthus superbus); Foto: Dr. Theresa Lehmair

Um Lebensräume für diese Moorspezialisten wiederherzustellen, ist eine Erhöhung des Grundwasserstandes notwendig. Ein Wasserstand von 10 bis 0 cm unter Flur ist zur Förderung der feuchtgebietstypischen Biodiversität optimal. Darüber hinaus wird bei diesem Wasserstand Torf erhalten und damit ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz geleistet.

Die Regionalstelle Karlshuld arbeitet bei der Konzeption und Bewertung solcher Vernässungsmaßnahmen eng mit Landbesitzenden und Landbewirtschaftenden zusammen. Kooperationen mit der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) zur Bewirtschaftung nasser Flächen und den Wasserwirtschaftsämtern mit Detailwissen um den Wasserhaushalt runden die Zusammenarbeit ab. So können geplante Wasserstandsanhebungen bestmöglich auf den jeweiligen Standort und die Bedürfnisse der Flächenbewirtschaftenden abgestimmt werden.

Nasswiese im Leipheimer Moos. Einige Moorflächen konnten bereits erfolgreich wiedervernässt werden, ein Beispiel mit Vorbildcharakter befindet sich im Leipheimer Moos, das durch Einleitung von Wasser aus der Nau gespeist wird, die Vernässung wurde von der Arbeitsgemeinschaft Schwäbisches Donaumoos e.V. in engem Austausch mit Landbesitzenden und -bewirtschaftenden umgesetzt; Foto: Nadine Gebhardt

Darüber hinaus begleitet die Regionalstelle Karlshuld die Entwicklung des Torfkörpers, der Hydrologie (Wasserhaushalt), der Klimaemissionen sowie der Flora und Fauna diverser Flächen vor, während und nach einer Wiedervernässung. Dafür wurden bereits konkrete Modellprojekte zu einer Photovoltaik-Freiflächenanlage und, in Kooperation mit der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und den Bayerischen Staatsgütern (BaySG), auf der Versuchsstation Karolinenfeld initiiert.

Zusätzlich wird im Rahmen des Projektes untersucht, für welche Fragestellungen der Einsatz von Drohnen sinnvoll sind. Verschiedene Testgebiete werden dabei überflogen, wobei beispielsweise Entwässerungsstrukturen, durch Biber verursachte Anstaue in Wasserläufen oder Vegetationsstrukturtypen erfasst werden können. Aus der Luft kann auch detektiert werden, wo ein Potential für Wiedervernässungsmaßnahmen vorhanden ist.

Baustein II: Biodiversität und Wert­schöpfung

Umweltfreundliche Energiestoffe, Biofleisch, Papier, Qualitätseinstreu und Dämmstoffe - Diese und viele weitere Produkte lassen sich mit einer moorbodenschonenden Bewirtschaftung auf wiedervernässten Flächen erzeugen. Mit angepassten Beweidungsregimen oder den Anbau nässeverträglicher Pflanzen eignen sich Moore für eine landwirtschaftliche Nutzung. Erste Modellprojekte haben gezeigt, dass alternative Moorbewirtschaftungsformen durchaus praxistauglich sind und sogar in klimabedingten Trockenperioden ohne nennenswerte Einbußen fortgesetzt werden können.

Rohrkolbenfeld kurz vor der Ernte. Die Nutzung von Rohrkolben zur Produktion von Dämmmaterial ist nur eine von zahlreichen moorbodenschonenden Nutzungsmöglichketen auf wiedervernässten Flächen; Foto: Dr. Theresa Lehmair

In Bayern liegen zu diesen "nassen" Nutzungsformen bislang jedoch nur kurzfristige und punktuelle Erfahrungen vor. Es hat sich beispielsweise gezeigt, dass Wasserbüffel durch ihre robuste und genügsame Art bestens für die Beweidung nasser Moorstandorte geeignet sind. Die Erzeugnisse, Fleisch und Büffelmozzarella, sind bei Verbrauchern wiederum sehr gefragt.

Zwei Wasserbüffel auf einer extensiv beweideten Wiese. Einer grast, einer liegt in einer selbst geschaffenen Suhle. Die Beweidung mit Wasserbüffeln erhöht die Strukturvielfalt der Weideflächen und sorgt damit unter anderem für offene Wasserflächen, welche gerne durch den inzwischen stark gefährdeten Kiebitz (Vanellus vanellus) genutzt werden; Foto: Dr. Theresa Lehmair

Im Rahmen des Projekts werden deshalb konkrete Konzepte für eine moorbodenschonende Landnutzung mit Fokus auf Stärkung der Biodiversität naturschutzfachlich begleitet und vor dem Hintergrund regionaler Wertschöpfungsketten bewertet.

Extensiv bewirtschaftete Streuwiese mit einem vielfältigen Blühaspekt. Artenreiche Streuwiesen bieten Lebensraum für zahlreiche hoch spezialisierte und oft gefährdete Tier- und Pflanzenarten; Foto: Dr. Theresa Lehmair

Modellvorhaben: Demonstrationsfläche der Stadtgüter München

Im Jahr 2016 wurde im äußersten Südwesten und damit schwäbischen Teil des Bayerischen Donaumooses über die Regierung von Schwaben/höhere Naturschutzbehörde das Moorrenaturierungsprojekt "Schorner Röste" initiiert und später an den Donaumoos-Zweckverband übergeben. Das Gebiet war bereits im Donaumoos-Entwicklungskonzept (2000) als Zone für den Moorkörperschutz ausgewiesen, nicht zuletzt wegen seiner für das Donaumoos noch sehr mächtigen Torfschichten von bis zu sechs Metern. Die Projektkulisse umfasst etwa 340 Hektar und bringt laut einer Machbarkeitsstudie gute Voraussetzungen für die Umsetzung von Renaturierungmaßnahmen mit.

Abbildung ist in zwei Darstellungen unterteilt: Links eine Übersichtskarte mit dem in Braun hervorgehobenen Bayerischen Donaumoos und einem roten Rechteck, dass das Projektgebiet 'Schorner Röste' im äußersten Südwesten zeigt. Rechts ein Luftbildausschnitt des Projektgebietes mit seinen grünen Wiesen und schwarz-braunen Ackerflächen und der Verortung der Demonstrationsfläche der Stadtgüter München mit grüner Umrandung. Übersichtskarte des Projektgebietes "Schorner Röste" (orange) mit der Demonstrationsfläche (grün) der Stadtgüter München. Kartengrundlage © Bayerische Vermessungsverwaltung

Daraufhin haben sich 2019 die Stadtgüter München bereit erklärt, ein 9,35 Hektar großes Grundstück als Demonstrationsfläche für Wiedervernässungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Hierbei unterstützt mittlerweile die Regionalstelle Karlshuld des Bayerischen Artenschutzzentrums (LfU) die Stadtgüter München bei der Entwicklung eines maßgeschneiderten Konzeptes. Auf dem Grundstück soll gezeigt werden, wie Moorschutz unter den gegebenen Bedingungen praxistauglich realisiert werden kann. Dafür wurden im Herbst 2021 weitere hydrologische Untersuchungen beauftragt. Durch ein enges Netz an Grundwassermessstellen auf der Demonstrationsfläche und auch im Umfeld lassen sich die Wirkbereiche der geplanten Wiedervernässung im Vorfeld exakt modellieren. Somit wird sichergestellt, dass angrenzende Flächen durch die Renaturierung der Demonstrationsfläche nicht beeinflusst werden.

Sind alle Planungs- und Genehmigungsschritte abgeschlossen, folgt im Anschluss die Wiedervernässung. Damit liefern die Stadtgüter München einen ersten wichtigen Baustein für das Gesamtvorhaben "Schorner Röste", das nach wie vor vom Donaumoos-Zweckverband betreut wird.

Die Demonstrationsfläche der Stadtgüter München besteht aus einer bräunlich-grünen Wiese mit einem zugewachsenen Graben. Die Demonstrationsfläche der Stadtgüter München im Osten der Schorner Röste (Dezember 2021, Aufnahme mit einer Drohne)

Die Kooperation zwischen der Regionalstelle und den Stadtgütern München geht aber noch einen Schritt weiter. Ziel ist es, weitere im Projektgebiet liegende Moorflächen der Stadtgüter in Moorschutzplanungen einzubinden und so eine modellhafte und richtungsweisende Nassbewirtschaftung auf den Grundstücken aufzuzeigen, das heißt Landwirtschaft unter Bedingungen, die den Torfkörper erhalten und dadurch einen deutlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Betriebswirtschaftliche Fragestellungen, Praxistauglichkeit und die Rücksichtname auf die Belange aller benachbarten Flächenbesitzerinnen und -bewirtschafter sind dabei ein wichtiger Teil dieser Planungen.

Baustein III: Öffentlichkeitsarbeit und Wissenstransfer

Der Schlüssel für die Akzeptanz und damit für den Erfolg von Moorschutzmaßnahmen liegt in einer wirksamen Öffentlichkeitsarbeit. Hier bietet das breite Spektrum an digitalen Medien und sozialen Netzwerken eine gute Möglichkeit Informationen zu vermitteln und die Thematik Moor- und Klimaschutz in ein öffentliches Interesse zu rücken. Darüber hinaus sollen Kinder, wie Erwachsene durch die Konzeption verschiedener Umweltbildungsmaßnahmen und die Organisation diverser (Sport-)Veranstaltungen eingeladen werden selbst aktiv zu werden.

Messestand zu ausgewählten Moorschutzthemen. Informationsveranstaltungen sind für die Aufklärung der Bevölkerung und öffentliche Akzeptanz geplanter Maßnahmen von höchster Bedeutung; Foto: Laura Korbacher

Weiterhin gilt es bereits aktive Moorschutz-Akteure über Projekt- und Verwaltungsgrenzen wirkungsvoller miteinander zu vernetzen. Zu diesem Zweck etabliert die Regionalstelle Karlshuld ein bayernweites, ressortübergreifendes Netzwerk in Form einer Kommunikationsplattform "Moorschutz". Hier können Themen wie Wiederherstellung, Erhalt und Förderung von Ökosystemleistungen und moortypischer Biodiversität ausführlich erörtert und diskutiert werden.

Die Regionalstelle Karlshuld fördert außerdem mit Hilfe von Fachsymposien und Exkursionen den Aufbau eines überregionalen Forschungs-Praxis-Netzwerks in dessen Rahmen neueste wissenschaftliche Erkenntnisse vermittelt und ausgetauscht werden können.

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